von Sascha Gala Mikic

Was es mit allen Adjektiven der Liebe auf sich hat: Delia Meshlir – Calling the Unknown

Verträumt könnte man Delias Folk-Rock nennen. Die waadtländische Band um die Musikerin Dayla Mischler besingt dabei die hohen, tiefen, breiten, weiten, sanften, rauen, kleinen, grossen, dicken, dünnen, bunten, einfarbigen, hellen, dunklen, nahen und fernen Seiten der Liebe. Und da das ewige Mysterium der Liebe immer noch Unbekanntes oder gar Ungewisses in sich birgt, versuchen sie ihm gewisse Geheimnisse darüber zu entlocken und uns ins Ohr zu flüstern.

Wessen Introspektive wichtige Meilensteine festhält: Thymian – Landmarks (A Cover Collection)

Josip Tijan, wie der Zürcher eigentlich heisst, covert in diesem Release drei Songs, die seine Musikkarriere und seinen Geschmack eindeutig geprägt haben. Als Erweiterung seiner Selbst kreiert er hierbei einen Balanceakt zwischen dem Wunsch, sich an den Originalsound zu halten und seinem persönlichen Musikstil. Dieser verfängt sich in einer ominösen post-punk Landschaft, durchwoben mit eigensinnigen Stimmungen und zum Tanz einladenden Klängen (auch zu geniessen auf seiner bereits erschienenen EP „Thymian“ und Debütalbum „Rhythm of Doubt“).

Welcher Song uns frühmorgens die Sonne begrüssen lässt: Megan – Berlin

Der 26-jährige Musiker rappt mit einer Geschmeidigkeit, die in den Ohren zerfliesst. Erstaunlich dabei ist Megans lyrisches Genie: Im anspruchsvollen Text geht es um die Realität zweier Personen, die von Vorurteilen, ihrem Umfeld und Image bestimmt werden und schlussendlich eine Erlösung von diesen Umständen erfahren. Dadurch kreiert Megans fantastische Wortwahl ein lebhaftes und fast tastbares Kopfkino. Die Melodie bettet die Härte federleicht ein und das Gesamtkunstwerk wird von sich überschneidenden Beats getragen.

Wem wir unsere Ohren schenken: Stahlberger – Lüt uf Fotene

Wir können bereits mit ziemlicher Sicherheit garantieren, dass mit diesem neuen Album eines der besten Musikwerke dieses Jahres veröffentlich wurde. Trotz eines sich durchziehenden roten Fadens konnte sich die Band anscheinend nicht auf ein Genre einigen, sodass das Album wie ein Fluss zwischen diversen Tälern mäandert und alles mit sich reisst; von Desert-Psych-Rock Elementen zu surfendem Post-Punk und rüber zu verträumtem Nordsee-Indie – nichts bleibt unberührt. Obwohl die Lieder nicht happy sind, vermitteln sie etwas Wichtiges: eine Weite und Tiefe, die berühren.

Wer uns sehr gerne noch mehr verführen darf: Dolphin Flight – Méandres

Eigentlich besteht die mittlerweile fünfköpfige Band aus der Westschweiz primär aus Männern. Doch für gewisse Songs auf dem neuen Album die sanften Synthie-Klänge und „vintage“ Gitarrenriffs mit langsamen weiblichen Stimmen kombiniert, sodass eine Sinnlichkeit à la Brigitte Bardot und Serge Gainsbourg meet Khruangbin entsteht. Diese Sinnlichkeit drückt sich verschieden aus: mal lässig wie eine Hängematte in der Sonne oder prickelnd wie Amors Pfeil, der dein Herz an einer Nachbarschaftsparty im Spätsommer erwischt.

Wer alles und jeden im Gepäck hat: Chelan – Orange & Blue

Kaum veröffentlicht Chelan seine allererste EP, wird er bereits mit Lob aus allen Windrichtungen überschüttet; nota bene von Schweizer Kulturgiganten wie dem Montreux Jazz Festival und M4Music. Ganz nach dem Motto „ist der Sound nirgends zu finden, mach ihn selbst“ füllt der Musiker die Lücken in seinen Playlists. Um der Kreativität möglichst viel Freiraum zu lassen, bildet fast jeder Track das Resultat einer Zusammenarbeit mit anderen Musiker:innen. Ihnen wird viel Freiraum gelassen, weswegen sich somit für jede:n Hörer:in etwas findet; vor allem Fans von Jazz, Hip Hop, Soul und Funk.

Wer mit uns den Kreis wieder schliesst: Ay Wing – No Wonderwoman

Ist solidarisierender Feminismus sexy? Jawollo! Ays bezaubernde Stimme sorgt dafür, dass man in den Bann ihrer sehr entspannenden Musik gesogen wird. Gestreute Prisen Soul, Funk, R’n’B gehen einem unter die Haut – im sprichwörtlichen Sinne auch das Ziel der EP: Jedes ihrer fünf Lieder durchgeht eine oder mehrere Phasen der Trauer. Obwohl wir, zum Glück, von einem klebrigen „spürsch mi, fühlsch mi“-Gefühl verschont bleiben, liegt der Schwerpunkt ihrer Lyrics auf Gemeinschaft und Verletzlichkeit; zwei Werte, die uns nach einer Pandemie besonders am Herzen liegen.

Wenn der Name Jazz No Jazz auch tatsächlich Programm ist: District Five – Burnt Sugar

Zugegeben, diesen Monat scheinen Jazz-Einflüsse an Popularität zu gewinnen. Obwohl die Zürcher Band District Five ebenfalls aus eben dieser Ecke stammt und sich lange zu einer mega guten Jazzband hocharbeiten wollte, haben sie diesmal beschlossen, ihre Koordinaten gen Ziel ein bisschen zu ändern. Entstanden ist dabei ein Mix aus King Gizzard meets Unknown Mortal Orchestra meets Mac DeMarco meets old jazz meets ihren ganz eigenen, originellen Stil. Diese Bereitschaft zum Herumtüfteln macht uns ganz hibbelig und kribbelig!

Mit wem sich das Shitlife etwa softer ertragen lässt: Batbait – Softness, Pt. 2 

Ui, das ging fix. In unserem Januar-Rückblick entzückten wir uns über Batbaits «Softness, Pt 1.» und hibbelten auf den zweiten Teil. Ruck, zuck, guck: Hier ist der Release, enthält zwei Songs und groovt gewohnt grossartig – wenn auch zwischen den Extremen. In der Single «Shitlife» proklamiert das Rock-Quartett «I hate my life, but that’s okay» (mehr als okay, wenn es von Songs wie diesen untermalt wird) in hinreissender und mitreissender Art. Ruhiger wird es dagegen mit «Sinking In», einer melancholischen Meditation über Vergangenes und Vergessenes.