von Michael Rechsteiner

Was ist Liebe? (Baby tu mir nicht weh, tu mir nicht weh, nicht mehr!) Der erste Kuss zweier zitternder Teenager. Die letzte Umarmung einer greisen Frau mit ihrem sterbenden Gatten. Und alles dazwischen, hoffentlich.

Ist Liebe das High Five zweier Männer, die an einer Freitagabend-Orgie die 43-jährige Anäthesistin für einen Eiffelturm zwischen sich eingespannt haben? Klar, warum nicht. Ist Liebe ein warmer Löffel in kalter Eiscreme an einem weiteren einsamen Abend auf der Couch? Irgendwie, ja.

Liebe ist, was wir anderen mit auf den Weg geben. Damit sie etwas weicher liegen in einer Welt, die mit jedem Tag etwas härter scheint. So als hätte sie in die Augen der Medusa geblickt. In diesem Sinne hat die elfte Staffel von «Der Bachelor» nicht nur zwei Menschen ein Festmahl der Liebe aufgetischt. Auch für uns alle fielen ein paar Brosamen von der Tafel. Denn was bis zuletzt erstaunt und dieses Power Ranking nicht immer einfach gemacht hat: Eine Sendung, die so sehr auf Konflikt gebürstet ist (i.e. ein Rudel junger Frauen mit vierstelligen Instagram-Followern einen Monat lang mit Champagner und Fruchtsalat füttern, bis sie sich gegenseitig um einen Kerl zerfleischen, der Anzug ohne Socken trägt), kann wider Erwarten ganz viel Wohlgefühl erzeugen.

Reality TV entstand während einer Zeit, in der wir gefühlt keine echten Probleme hatten. Wir spritzten uns alle lachend gegenseitig mit Benzin voll wie Derek Zoolander auf einem Starbucks-Run und kauften uns Eigentumswohnungen als wären es Kit Kats am Kiosk. Doch deshalb mussten wir uns künstlichen Diskomfort erschaffen in Form von angeschwipsten Hardbodies, die sich telegen anschreien weil mal wieder Haarextensions das WG-Bidet verstopfen. Doch wer will sich das noch anschauen, wenn plötzlich die ganze Welt ein mit Haarextensions verstopftes WG-Bidet ist?

Wir bekämpfen Waldbrände, indem wir Museumsbilder mit Suppe bewerfen. Befürchten bei jedem Husten im Tram, dass wir schon bald wieder den Keller mit Klopapier auffüllen müssen. Und was zum fuck geht eigentlich gerade in England ab? Furchtbar, alles. Ausser die zwei Stunden bei 3+, wo Elefanten geschrubbt und Freundschaften geknüpft wurden. Gab es ab und zu kleine Meinungsverschiedenheiten? Klar. Etwa so wie wenn zwei Hamster gleichzeitig an einer Weintraube knabbern und dabei die Köpfchen aneinanderreiben. Ansonsten aber? Sweet Harmony.

Besonders deutlich wird das im grossen Finale. Ein ständiger Hauch von Polyamorie liegt in der Luft von Bangkok, so gut verstehen sich alle Anwesenden bis zum Schluss. Der Bachelor mag seine eine Lady gesucht haben, gefunden haben sich die Ladies aber gegenseitig. Selbst dass «Bachelorette»-Gewinner Yuri den triumphalen Endspurt von Kenny dazu hortet, um seiner Yuliya einen Ring anzustecken (the audacity!), scheint den Bachelor nicht zu stören. Er freut sich gar wie ein Scheidungskind über eine neue Mama. Dabei steht glaubs sogar im ZGB irgendwo: «Versucht eine Person, das grosse Finale einer Partnersuche mit dem eigenen Heiratsantrag zu überstrahlen, ist es gestattet, den Antragssteller einmalig in einer Hotelküche von maximal drei Personen zusammenschlagen zu lassen.»

Dazu kommt es aber nicht. Stattdessen kann sich Kenny bis zum allerletzten Moment von keiner der Ladies trennen, die deshalb zu dritt für den Nachmittag der Rosen aufkreuzen müssen. Ihren Tag davor haben Lara, Leonora und Chiara damit verbracht, mit Yuliya eine Bachelorette-Party zu feiern (und haben dazu leider keine Schubkarre voller Kleiner-Feigling-Flaschen durch Bangkok geschoben und sie an Bauchtaschentouristen verkauft) und den fettesten Corgi der Welt zu streicheln. Just a perfect day.

Doch leider hat die Produktionsassistentin an diesem Morgen nur eine Rose am Blumenmarkt gekauft und so muss es Kenny doch noch übers Herz bringen, zwei der Ladies ein paar Minuten früher in den Lift nach unten zu schicken. Vielleicht etwas überraschend, dass sich Kenny gegen Wild Child No. 1 und Wild Child No. 2 entscheidet: Leonora und Lara haben in dieser Folge mehr Shots getrunken als ein Kegelclub auf Mallorca-Reise, doch entscheidet sich Partyboy Kenny schlussendlich für das stille Wasser Chiara, die seinen Durst nach Nähe fortan laben soll.

[«I Will Always Love You» playing]

Was ist Liebe? Liebe ist KENcakes an einem Sonntagmorgen. Liebe ist «Der Bachelor» an einem Montagabend. Danke, Kenneth. Danke, Ladies. Wir sehen uns zur Hochzeit.