von Christian K. L. Fischer
Bobby Gillespie sagt es als wäre es ein göttlicher Auftrag – mit diesem Album wollen Jehnny Beth und er den Schmerz zurück in die Musik bringen. «Ich höre sehr wenig davon in moderner Rock Musik», muss er feststellen. Und zusammen seinen Primal-Scream-Kollegen Andrew Innes, Martin Duffy und Daddin Mooney, und der Hilfe von Jehnnys musikalischem Partner Johnny Hostile haben die Beiden auf «Utopian Ashes» genau das vollbracht.
Die Umarmung eines alten Freundes
Auf der Grundlage des Endes einer Liebe und einer Beziehung erforschen sie zusammen all die unvermeidbaren Tiefschläge, die so eine Phase mit sich bringt. Die Kunst auf «Utopian Ashes» ist dabei, dass die Lieder trotz dieses Themas und der Traurigkeit dahinter in Schönheit gegossen wurden, und voller Leichtigkeit gespielt und gesungen werden. So elend die Situationen hier sein mögen – alles wird aus der Postion zwei Menschen erzählt, die darum wissen, dass es ein Leben nach diesen Dramen gibt. Aber zuvor muss man durch den Schmerz. «Es sind auf gewisse Art Songs zum Heilen», sagt Jehnny. «Sie mögen von gebrochenen Herzen handeln, aber das Album ist wie eine lange Umarmung eines alten Freundes.»
Die Schönheit der Verzweiflung
«Mit schöner Musik kannst du die Menschen mit einen Zauber belegen und sie dadurch bereit machen, sich zu öffnen», erklärt Bobby. «Damit sie die Botschaft, auch wenn sie schmerzvoll ist, zulassen können. Ich mache das gerne – ich mag diese Dualität. So wird der Schmerz zu einem wunderschönen Schmerz.» Er lacht, selbst ein wenig überrascht von dieser Formulierung. «Wenn es so etwas überhaupt geben kann!» Wahrscheinlich ist das wirklich nur in Musik und in der Kunst möglich, überlegt er weiter. «Vielleicht weil man dort immer noch die Distanz hat, es zu geniessen.» Doch ihm kommt plötzlich ein ganz anderes Bild in den Kopf und er erinnert sich zurück, als sein Sohn und er Karten für das Fussballspiel Bayern gegen Borussia Dortmund im Wembley Stadion hatten. «Dortmund hat alles gegeben, aber sie hatten eben kein Team voller Superstars. Der Romantiker in mir wollte sehr, dass sie gewinnen. Doch am Ende waren sie einfach nicht gut genug. Als der Schiedsrichter das Spiel abpfiff, sackten die Dortmunder Spieler zu Boden und weinten. Es war ein Moment so voller Schmerz und Schönheit zugleich.» Eine ganz andere Art der Poesie, könnte man sagen.
Vergangenheitsbewältigung und Aufbruchsstimmung
Die Zusammenarbeit von Bobby und Jehnny wurzelt in zwei Auftritten, bei denen Jehnny – damals Sängerin bei Savages – zu Bobby auf die Bühne kam, erst 2015 und dann ein Jahr später als sie Primal Scream dabei half, ein Duett von Nancy Sinatra und Lee Hazlewood umzusetzen. Anfangs schien es als würde ihr gemeinsames Projekt noch einen elektronischen Unterton haben, aber das wurde schnell verworfen. Für die Stimmung die sie erzeugen wollten, brauchten sie diesen organischen Klang. So wundert es auch nicht, dass sie nur ganze fünf Tage im Studio waren, wodurch sie diese ehrliche Direktheit erzeugen konnten, die ein Übermass an Takes wohl nur verwässert hätte. «Ich begriff, dass Bobby auf diesem Album viel aus seiner Vergangenheit aufarbeitete, wer er früher war und wie er zu dem wurde, der er heute ist», sagt Jehnny. «Es geht viel um Schuld und dem Versuch, ein bessere Mensch zu werden. Er hat mir gezeigt, dass du immer weiter gehen musst, wie ein Zug, der niemals anhält.» Und neben dem selbst auferlegten Auftrag, den Schmerz zurück zu bringen, ist das vielleicht die eigentliche Botschaft. Sie ist nicht neu oder originell, aber man kann es nicht oft genug hören: Es wird weitergehen.