von Katja Schwemmers

Als Musikerin nennt sie sich Buzzy Lee, ihr bürgerlicher Name ist Sasha Spielberg (30) und ja, sie ist die Tochter des Mannes, der uns mit Hollywood-Blockbustern wie «Jurassic Park», «Indiana Jones» und «E.T.» begeisterte. Sasha legt jede Menge Wortwitz und Selbstironie an den Tag, als wir sie via Zoom-App im Hause von Steven Spielberg erwischen. Drei Mal bricht dort die Internetverbindung zusammen – da geht’s den Spielbergs nicht anders als normalen Menschen. Nach ihrem Song «Walk Away», der schon einige Netflix-Serien dekorierte, präsentiert Buzzy Lee nun ihr Debütalbum «Spoiled Love», das mit melancholischen Sad-Pop-Songs à la Lana Del Rey aufwartet. Im Interview erzählt sie, wie Produzent Nicolas Jaar sie auf den Elektropfad brachte, was ihr Leben gerade schwierig macht, und womit ihr ein berühmter Ausserirdischer als Kind geholfen hat.

Wie war dein 2020?
Wie eine endlose Warteschleife! Die Platte ist seit September 2019 fertig. Ich wollte sie im Frühling 2020 rausbringen, begleitet von einer kleinen Tour, doch dann kam Covid. Im August verstarb dann noch mein Grossvater, er wurde unfassbare 103 Jahre alt. Die ständige Angst um die Gesundheit und die der Familie tat ihr übriges. Ausserdem hatte ich noch an einer Trennung zu knabbern. Es war echt ein bisschen viel letztes Jahr.

Wie hat es bei dir mit der Musik angefangen?
Als Kind liebte ich Filmmusik. Seitdem ich mich erinnern kann, war ich besessen davon, Songs zu schreiben und Sängerin zu sein. Im Alter von fünf Jahren begann ich mit dem Klavierspielen. Mit dem Liederschreiben ging es mit acht Jahren los. Mit 12 lernte ich dann Gitarrespielen und begann, Songs auf der Gitarre zu komponieren. Ich war vielleicht nicht gut, aber ich habe einfach mal gemacht.

Hattest du damals schon eine Vision, wohin das Ganze führen sollte?
Definitiv! Ich wollte in jedem Film sein und singen, in Musicals die Hauptrolle spielen, das Zentrum der Aufmerksamkeit sein. Meine Eltern mussten mich filmen, wie ich meine ersten Songs schmetterte. Ich habe einfach immer performt.

Gab es denn Zweifel bei dir, ob Musik der richtige Weg ist?
Immer! Aber egal, welchen Weg ich als Künstlerin eingeschlagen hätte, Selbstzweifel wären immer dagewesen. Anfangs verfolgt man eine Karriere, weil man an sich selbst glaubt. Aber dieses Gefühl kann ganz schnell verschwinden, wenn man zu viel analysiert. Ich mache immer Witze darüber, dass ich vielleicht doch besser Medizin studiert hätte.

Hegtest du jemals den Wunsch, Vollzeit-Schauspielerin zu sein?
In jungen Jahren schon. Meine Mutter war Schauspielerin, meine ältere Schwester, also dachte ich, dass es das wäre, was ich tun müsste und auch tun würde. Ich fing an, zu Auditions zu gehen und es ernst zu nehmen. Aber ich realisierte irgendwann, dass es mir nicht so viel Freude bringt wie die Musik.

Wenn eine Spielberg zu einer Audition geht, was sagen dann die Entscheidungsträger?
Zum Glück kriege ich nicht mit, was sie sagen. Ich kann es mir nur vorstellen. Dass Leute hinter meinem Rücken über mich reden, ist etwas, was Ängste bei mir auslöst – mal unabhängig vom Familiennamen. Ich habe eh mit Angstzuständen zu kämpfen. Es ist schon passiert, dass ich zu einer Party gegangen und sofort wieder nach Hause gefahren bin, weil ich mich nicht wohl fühlte. Ich stelle mir dann immer Fragen wie: «Hab ich zu viel geredet? War ich merkwürdig?» Dieses ganze Kopfkino läuft ständig bei mir ab. Vielleicht fühle ich mich auch nur ständig beobachtet.

Was ist dein Lieblingsfilm Ihres Vaters?
«E.T.», «Unheimliche Begegnung der Dritten Art», «Jurassic Park». Ach, ich liebe sie wirklich alle. Die Figuren bekamen für mich ein Eigenleben. Ich hatte imaginäre Freunde, die Dinosaurier waren. Und E.T. war mein allerbester Freund! Als Kind führte ich Zwiegespräche mit E.T.

Mit deinem Bruder Theo hastu du die Indie-Folk-Band Wardell gegründet. Wie kommt es, dass du jetzt unter dem Namen Buzzy Lee ein eher elektronisches Solo-Album veröffentlichst?
Ich hatte diese Songs geschrieben, Theo fand sie gut, aber unpassend für die Band und wollte sie nicht dafür benutzen. Also ging ich zu meinem guten Freund Nicolas Jaar, der elektronische Songs produziert. Wir haben uns mit 18 am College kennengelernt. Damals stand er noch am Anfang seiner Musikkarriere, heute ist er bekannt für elektronische Musik. Auf der Basis haben wir prima zusammen gearbeitet.

Der neue Sound und deine Stimme haben Wiedererkennungswert.
Danke! Wenn ich Musik mit meinem Bruder für Wardell mache, singe ich richtig laut – ich bellte die Töne geradezu. Aber Nicolas bevorzugt es ruhig und intim, er hat mich immer wieder dazu animiert, leiser zu singen. Er meinte immer: «Bemühe dich nicht so sehr zu singen, singe am besten so gut wie gar nicht.» Und so nahm der Buzzy-Lee-Sound Gestalt an.

Hat dich die Arbeit im Studio eingeschüchtert?
Eingeschüchtert war ich immer dann, wenn ich Nicolas meine Texte laut vorlesen sollte. Da waren einige Stellen, deren Bedeutung ich selbst noch nicht verstanden hatte. Wenn man sie dann laut liest, werden die Fehler deutlich, es macht sichtbar, welche Stellen keinen Sinn ergeben. Ich wusste, dass Nicolas mich nicht schonen und das Kind beim Namen nennen würde, denn wir stehen uns so nah. Er fragte also immer: «Okay, aber was bedeutet der Text wirklich?» Das waren die einschüchterndsten Momente des Textschreibens.

Worum geht’s in den Texten?
Um meine Familie, um meine Angstzustände, um die Person, die ich gerne sein wollte, als ich noch mit meinem Ex zusammen war und um mein Verhaltensmuster, mich in anderen Menschen zu verlieren.

War die Beziehung so obsessiv?
Schon. Da gab es definitiv eine Abhängigkeit in beide Richtungen: Ich wollte die Person sein, von der er sich wünschte, dass ich sie wäre. Und er wollte die Person sein, die ich mir gewünscht hatte. Es waren vier Jahre, in denen wir uns füreinander maskierten.

Deshalb heisst das Album «Spoiled Love» – verdorbene Liebe?
Mir gefiel der Strauss unterschiedlicher Bedeutungen. Es steht für eine Liebe, die verdorben ist. Man kann darunter aber auch eine gepamperte Liebe verstehen, die man auf ein Podest stellt. Und ich kuriere damit meine Angstzustände, in dem ich ihnen ein Schlaflied singe – was nicht gesund ist.

Hast du die Emotionen mit in die Songs rübergenommen?
Oh ja. Im Studio flossen Tränen. Ich weine eh überall und ständig – ob in Flugzeugen oder beim Einkaufen. Und ich tendiere zum Weinen, wenn ich mit Nikolas arbeite, denn wir sprechen wirklich über alles. Das macht mich extrem emotional.

Über die Single «What Has A Man Done» sagtest du, dass du wieder lernen musstest, die Verantwortung zu übernehmen. Auf welche Art?
Ich tendiere dazu, wenn ich einen Freund habe, ihn wie der Bösewicht fühlen zu lassen. Denn es ist immer extrem einfach für mich zu sagen, «er ist schlecht, ich bin grossartig», weil ich mich auf diese Art schützen kann. Dieser Song bin ich, wie ich mich über alles erhebe. Was unfair ist, weil es ja etwas gab, dass ihn dazu veranlasste, auf eine bestimmte Art zu reagieren.

Du scheinst in den Texten viel in die Vergangenheit zu blicken, auf die Zeit deiner Jugend. Was ungewöhnlich ist, wenn man gerade erst 30 ist.
Oh, ich mache das schon mein ganzes Leben. Als ich fünf Jahre alt war, war ich schon nostalgisch für vier. Als ich zehn war, sentimental für fünf. Ich bin einfach so.

Hast du eine Ahnung, warum das so ist?
Ihr solltet meinen Therapeuten fragen! Ich denke, die Gegenwart ist schwierig für mich. Ich bin nicht gut darin, im Moment zu leben. Das hat einfach mit den Angstzuständen zu tun. Ich flüchte dann lieber in die Vergangenheit und romantisiere sie. Es ist fast schon wie ein verzögertes Glücksgefühl. Denn als ich in der besagten Zeit war, fühlte sich die meist gar nicht so romantisch an und ich mich auch gar nicht gut mit mir selbst. Deshalb fällt es mir so schwer, im Hier und Jetzt präsent zu sein.