von Sascha Gala Mikic
Wer uns zum Teilen eines Blumenstrausses aufruft: To Athena & Marlena Käthe – Garten
Wie fühlt es sich an, wenn man jemandem gegenüber ständig fürsorglich ist und dieser Person erlaubt, zu viel von uns zu nehmen? Na, wie ein Garten, aus dem zu viele Blumen gepflückt und keine neuen Samen gestreut wurden. Die Leere, die somit entsteht, entkräftet. To Athena und Marlena (ja, das sind zwei Gesichter hinter dieser Single), thematisieren diese einseitige Geben/Nehmen-Dynamik zu Marlenas Text und To Athenas Musik. Sachte tritt hierbei das Piano in den Vordergrund. Auch wenn das Lied eher ruhig ist, werden manchmal Töne angeschlagen, die einen Hauch von Gefahr bergen – so wie in Filmen, in denen ein Charakter eine neue (Traum-)Welt betretet.
Wer die wichtigen Fragen thematisiert: Waters Blend – Shell
Man würde meinen, dass jemand, dessen Familie aus diversen Kulturen stammt, ein wandelbares Chamäleon ist, das sich jeder Gesellschaft anpassen kann. Doch Djamal, der Künstler hinter Waters Blend, sieht das kritischer und hinterfragt mit seiner Musik die Zugehörigkeit(en) eines multikulturellen Daseins. „Shell“ spricht diesen Zustand an, aber verarbeitet ihn in einer Geschichte zweier lieblosen Menschen, die am Tode ihrer Liebe zerbrechen. Mit sanften Melodien und einem wellenreitenden Rhythmus lässt sich die Melancholie häppchenweise auf der Zunge zergehen.
Wer uns noch ein letztes Mal den Abend versüsst: Soft Captain – Soft Captain
Das Debütalbum der Soundkünstler und Kreativköpfe Manue Gagneux und Samuel Tschudin eignet sich als perfekte Soundkulisse für einen der letzten in Rosarot getränkten Sommerabende am Strand. Gute-Laune-Surf-Indie, der uns noch einmal einen kräftigen Schuss Serotonin und Dopamin in den Adern verpasst, bevor DiE eWiGe DuNkeLhEiT uns verschlingt.
Wer sich auf die Details achtet: Anna Erhard – Picnic At the Seaside
Sehr experimentierfreudig, aber nicht im Stile von „Free Jazz goes REALLY free“, sondern eher à la „Hey, man kann mit diversen Gegenständen richtig gute Klänge und Töne erzeugen“. Selbst wenn man noch nie campen war, so kann man sich an den scheinbar trivialen Urlaubsdetails wie in den Strophen „I wanna wake up to the sound of flip flops / I wanna speak French at the gift shop” beschrieben erfreuen. Für diejenigen unter euch, die immer noch im Urlaub sind: dieser Song von Anna Erhard wird euren Urlaub noch „urlaubiger“ machen.
Wer nicht die Handbremse ziehen will: Floorbrothers – Drive
Der Name ist Programm, denn dem Stillstand im Leben wird der Krieg erklärt. Klar, dir kann mal die Energie dazu fehlen, dich ständig vorwärtszubewegen. Doch prinzipiell ist Bewegung eine Form des Erschaffens. Von nix kommt halt nix. Man würde an dieser Stelle einen energiegeladenen, schnellen Song erwarten, doch das ist nicht der Fall. Das Lied der Floorbrothers eignet sich Elemente des langsameren 90er Alternative Rock/Desert Rock an und der Gitarre wird viel Raum geboten. Trotzdem, die Message ist klar – wie Dory aus Findet Nemo sagen würde: „Einfach schwimmen, schwimmen, schwimmen“.
Wessen Pop aus Antonymen besteht: Ladina – Haunt Me
Es hat nicht lange gedauert, bis die junge Zürcherin seit der Veröffentlichung ihrer Debütsingle wahrgenommen wurde. Rasch hat sich dadurch ihr Alltag verändert: öffentliche Anlässe, Festivals und mehr stehen seither auf dem Programm. Und das zu Recht: ihre Popsongs sind extrovertiert und doch intim, und ihre Stimme ist stark und zerbrechlich. Solche Antonyme trifft man in der Musikbranche doch eher selten. „Haunt Me“ ist frech und keck, und provokativ – genau die Energie, die wir brauchen.
Wer uns wieder des Mundart besinnt: Dachs – Mitme Fenchel Zum Znüni
Oh je, wann war das letzte Mal, als du Znüni hattest? Die meisten Kids hatten dazumal vielleicht eine Frucht oder ein kleines Brötli im Schulthek dabei. Nicht so die Eltern von Basil Kehl: die schickten ihren Sprössling mit Fenchel auf den Schulhof. Sehr öko und damals bestimmt sehr kurios (heutzutage gibt’s sicher Kinder, die auf Gojibeeren oder so abfahren). Der Song mäandert zwischen weichen Synthie- und Gitarrensounds und lautem Schreddern. Dabei ist die Melodie insgesamt sehr dreampoppig; passend dazu um in Erinnerungen an die Schulzeit von anno dazumal zu schwelgen.
Wem das neue „dark boi“ Image gelingt: Elio Ricca – Krust
Ominös und verführerisch sind wohl die passendsten Adjektive. Ist es 80er dark-but-not-superdark-just-a-little-bit-dark-and-very-tanzbarer Postpunk? Zwar wird der Song als „Sommersong“ angepriesen, doch wir finden, dass er genauso gut in die Atmosphäre der Kategorie „herunterfallende Blätter und bitzli kälter werdende Nächte des Herbstes“ passt. Für die Band ist dieser Stil Neuland, aber sie erobern dieses mit Leichtfertigkeit und einer Spur Selbstironie, die zu „hüftschwingenden Bewusstseinsveränderungen“ führt, um deren Label zu zitieren.
Wer uns die Su-Su-Summertime Sadness vertreibt: DAIF – sad girl summer
Einige von uns flogen in diesem Sommer nach Korsika, andere radelten nach Köniz. DAIF aber ist auf der Reise zu sich selbst und tut dabei, was gut tut: chli tanze, chli use, chli Hoffnig ha. Eingebettet sind die zärtlichen Zeilen in eine unwiderstehliche Melodie und verspielte Instrumentierung. Und auch wenn sich DAIF die Frage nach dem Befinden während dieses sad girl summers verbittet: Wir hoffen, jeden Tag ein bisschen besser.