von Sascha Gala Mikic

Ist euch aufgefallen, dass letzten Dezember weniger Proklamationen fürs Jahr 2023 der Sorte „New year, new me!“ in den sozialen Medien kursierten? Ist ja auch verständlich, die letzten Jahre waren auf einem globalen Level halt nicht so mega lässig. Aber in solchen Situation ist es immer gut, „back to the roots“ zu gehen, um ein bisschen Abstand von allem Gemeinen und Turbulenten in der Welt zu gewinnen. Übertragen auf die hiesige Musikszene heisst das, dass diesen Monat ganz viel tolle Mundart-Musik für euch in den Startlöchern bereitsteht! Back to the roots-iger geht’s kaum noch. Und darum: „Neus Jahr, neui ganz lässigi Musig“ für euch!

Wer uns den Fussball und die Liebe ins Ohr bringt: Juri Volta – „Diego Maradona“

Wisst ihr noch, wie aus dem nichts „Seven Nation Army“ DER Fussball-Song schlechthin wurde? Hätte Juri Volta schon damals die Charts erobert, so hätte man vielleicht „Seven Nation Army“ mit „Diego Maradona“ ersetzen können. Ja, auch wenns ein Liebeslied ist, denn: es hat durch eine dramatische Weite in der Melodie auf jeden Fall Potenzial als Stadion-Rock-Song und der Text ist zudem lustig und schön. Denn er handelt von einer Frau, die nur T-Shirts mit Maradonas Aufdruck trägt und gut im Küssen ist.

Wer uns mehr Minuten schenken will: Black Sea Dahu – „Le Temps Se Fuit“

Was in den Songs von Black Sea Dahu niemals fehlt, ist natürlich die Gitarre und eine Sehnsucht oder Wehmut in der Melodie. Diesmal richten sich diese Emotionen auf die Zeit; Zeit, die verrinnt, an einem vorbeizieht, verfliegt. Es fühlt sich dann so an, als befinde man an tausend Orten zur selben Zeit und ist doch an keinem vollkommen präsent. Falls ihr euch genau so gefühlt habt gegen Ende des letzten Jahres, dann lädt dieser Song dazu ein, mit der hektischen Zeit Frieden zu schliessen.

Wessen Rhythmus unsere Glieder wackeln lässt: Lasla Guzzi – „Motor”

Oftmals scheint es so, als würden Mundart-Lyrics eine bessere Geschichte erzählen als Englische – vor allem, wenn eine Prise Absurdität oder Wortwitz in den Zeilen herumschleicht. Die Band Lasla Guzzi nutzt Letzteres gekonnt aus und beschwört mit ihren Texten schräge Bilder herauf, in denen das Hirn ein Motor ist und der Mensch die Maschine. Gepaart mit einem schnellen Rhythmus und origineller Pop-Melodie packt uns der Song und lässt sogar schier die Ohren wackeln.

Wer stolz die 2 auf dem Rücken trägt: Sam Himself – „Never Let Me Go“

Zwei Jahre nach dem Release seines Debütalbums veröffentlicht der zweifach Swiss Music Award nominierte Sam Himself sein zweites Album. Und kriegt dafür von uns: zwei Daumen hoch! Die Basler Antwort auf die Jeopardy-Frage „Das würde dabei herauskommen, wenn Billy Idol als Frontmann bei The National anheuert“ zeigt sich auch auf seinem neuen Release von traurig-schöner Eleganz. Pop Noir für den hoffnungsvollen Morgen nach dem nächtlichen Beenden einer Liebesbeziehung.

Wer was Feines aus der Ambient-Küche tüftelt: Yes, It’s Ananias & An Moku – „Salz & Honig“

Piano-Virtuose Nicolas Streichenberg aka Yes, It’s Ananias und der experimentelle Soundtüftler Dominik Grenzler aka An Moku haben am gleichen Strang gezogen und an dessen Ende hängt das 70s Space Ambient Album „Fluxus Verve». Bis zu dessen Release muss sich unsere Erdkugel aber noch etwas durch den Space drehen. Einen ersten Vorgeschmack gibt jedoch diese Single, deren hypnotische Klanglandschaft auf eine völlig neue Welt musikalischer Extraklasse hoffen lässt.

Wer uns an einen ganz Grossen erinnern will: Steff la Cheffe – „Fäderliecht”

Es ist ein warmes Lied, das der akustischen Gitarre und Steffs sanfter Stimme den Vorrang gibt. Und diejenigen von euch, die Endo Anaconda – ehemaliger Sänger bei Stiller Has – kennen, werden wissen, dass dies eigentlich sein Song ist. Somit ist die Version der Bernerin eigentlich ein Coverlied und gleichzeitig eine Hommage an Endo, der sich vor einem Jahr von dieser Welt verabschiedete.

Wer versierte Musik dem Universum präsentiert: Versum – „Moonchild“

Das Album ist an einem Freitag, dem 13. erschienen. Doch wir sind uns sicher, dass für Versum dies kein schlechtes Omen ist. Denn mit der Kreativität in den Melodien beweist die Schwyzer Indie-Rock Band, dass sie es faustdick hinter den Ohren hat. Ihr Sound ist ein Mix aus ein bisschen Arctic Monkeys, einem Funken Bonaparte und ab und zu einer Prise Edward Sharpe and the Magnetic Zeros – und doch sind sie etwas ganz Eigenes. Und bald bestimmt auch was ganz Grosses.

Wer den Frosch im Hals rausspringen lässt: Riana – „So Luut“

So, nach den zahlreichen Gitarrenbands gewinnt diesmal das Klavier unser Herz. „So Luut“ erinnert ein wenig an die Sanftheit der frühen Norah Jones. Der Song handelt davon, der Hektik und dem Lärm im Kopf eine Stimme zu geben, denn oftmals weiss der Mensch nicht, wie diese zu formulieren – und lässt dabei vieles im Hals stecken. Somit gelingt es Rianas Musik, einen kleinen Funken Hoffnung am Glühen zu erhalten, dass die Worte ihren Weg hinausfinden.

Wessen Trap keine Falle ist: STR808 SQUAD, PADEL – „Tunnel”

Fans von internationalen Trap-Produktionen werden diese Single schätzen. Komplett auf Deutsch eingespielt unterscheidet sich dieses Werk in seinen Details jedoch vom üblichen Genre-Output. Die Lyrics sind düster und mehrdeutig und mit Elementen wie einer Mundharmonika verleihen die Squad und PADEL dem Track ein gewisses „je ne sais quoi“. Somit fasst Trap auch in der Schweiz festen Fuss im neuen Jahr und fordert andere heraus, nach einem Platz in derselben Liga zu streben.

Wer uns die Welt etwas bunter erscheinen lässt: Dana – „Alright“

Wir sitzen alle etwas bibbernd herum, denn der Winter ist noch nicht vorbei. Aber das macht nichts, denn Danas Musik umarmt uns mit der Wärme, die wir gerade nötig haben. Ihr Pop macht die Welt ein bitzli schöner, besonders mit dieser neuen Single. Bestimmt auch der Grund weswegen die Bielerin im vergangenen Jahr von SRF3 zu einem der Best Talents gekürt wurde.

Wer das Herauszögern verständlich macht: Billie Bird – „Indolentia“

In der dritten Single ihres neuen Albums, welches im März erscheint, thematisiert Billie den Zweck des Beschützens. Dieser tritt vor allem dann auf, wenn man in einer Beziehung ist, die dem Tohuwabohu eines sich nahenden Endes ausgeliefert ist. Die Optionen in so einer Situation reduzieren sich dann auf zwei, nämlich Kämpfen oder Verlassen – aber was passiert, wenn man innehält und die Trägheit auszuhalten versucht, um die Konsequenzen einer Trennung hinauszuzögern? Das Gewicht des Songs auf ihrer Stimme liegend fährt die Schwere einer solchen Situation den Hörer:innen unter die Haut.