von Sascha Gala Mikic
Wer uns schwelgend seufzen lässt: Elena Flury – „Hold It All Together”
Elena Flury gehört zu den hiesigen Künstler:innen, die auch Erfolge im Ausland feiern können: in London hat sie Musik studiert und dort einige Erfahrungen in der Live-Szene sammeln können – und das merkt man in ihrer Single und dem dazugehörigen Musikvideo. Zu wunderbar geschmeidigen R’n’B- und Soul-Klängen werden die letzten Schritte einer Beziehung, die nur noch vor sich hin existiert, verarbeitet. Beklommenheit, Zerrissenheit, aber auch noch nicht verflossene Spuren von Liebe werden in ihrer sanften Stimme von ihrer Schwere erlöst und verblassen ineinander. Nostalgie pur!
Wer uns komplett entschleunigt: Chauffeur et Parlak –„Cooking Some“
Die Meister der nonverbalen Musik sind zurück und diesmal mit einer Nummer, die wie ein Braten im Ofen lange vor sich hin zischt und brutzelt. Das Ziel von Chauffeur et Parlak ist eine komplette Entschleunigung von der Hektik des Seins und Machens, welches den Rhythmus dieses Steins, auf dem wir Leben und durch die Galaxie geschossen werden, bestimmt. Die Melodie erinnert an 70er Jazz-Fusion mit einem funky James-Bond-Twist auf LSD – perfekt für den kommenden Sonntag nach einer Party.
Wer sich ein grossartiges Geburtstagsgeschenk macht: Ginger and The Alchemists feat. Yet to Find – „dive in remake“
Die Meinungen bezüglich Autotune sind normalerweise gespalten, doch in diesem Track erinnert dieser stark an eine kosmischere und leichtere Version von Daft Punk. Wie üblich ist auch dieser Track der Band nackt, melancholisch und verletzlich und lässt einen durch die Wärme der elektrischen Melodien treiben – eine schöne Ode an die fünfjährige Bandgeschichte ist damit gelungen.
Bei wem wir uns erwachsen fühlen: Jamila – „Apex“
Wisst ihr noch, wie wir unironisch „adulting“ als Verb benutzten, um eine Tätigkeit zu beschreiben, die wir als Erwachsene längst beherrschen müssten, aber irgendwie doch nicht so richtig können? Diese Angst vor dem tatsächlichen Erwachsenwerden thematisiert Jamila in ihrer neuen Single – aber ganz unironisch. Denn eine Seite dieses Erwachsenwerdens schliesst auch die Realisierung ein, dass in einer Partnerschaft Idealisierung und Vernachlässigung nicht gesund sind. Somit schafft es Jamila nicht nur Pop zum Tanzen, sondern auch zum Nachdenken schreibt.
Wer locker zwischen den Genres hüpft: Priya Ragu – „Easy“
Vielseitige Musik zu machen, ist nicht einfach. In Priya Ragus neustem Track gelingt ihr der Spagat zwischen 00er-Pop-Beats, 00er-Hintergrundchören und derzeitig hippem Pop. Und eigentlich offenbart dieser Spagat eine neue Seite von Priya, ein Stück weit entfernt von den Dancehall oder Alternative-Indie-Einflüssen, weswegen wir von etwas ganz fest überzeugt sind: dass wir süchtig nach mehr sind.
Wer über den Glasrand hinausblickt: Kaufmann – „Liachtigkeit“
Ein Gläschen hier, ein Gläschen dort und plötzlich schwankt man von einem Fuss auf den anderen. Ein kleiner Rausch ab und an ist okay – aber was, wenn man sich oft betäubt? Kaufmann singt sehr offen über diesen Teufelskreis, denn Alkohol half ihm für eine lange Zeit, auf der Bühne zu stehen. Und um diesem Thema die nötige Dringlichkeit und Schwere zu verpassen, sind im Song Kaufmanns verzerrte Gitarre und der Alternative-Rock der 90er Jahre ausschlaggebend.
Wer uns zum Strahlen bringt: Naïma – „The Sun“
Wenn alle in die Ferien abgereist sind, scheint das Quartier leer zu sein. Man nimmt das Rauschen der Bäume und die Sonnenstrahlen auf der Haut viel stärker wahr. Alles erscheint sanfter – genau so wie Naïmas Lied, das fast ausschliesslich aus ihrer Stimme und einer Gitarre besteht. Doch eben diese Einfachheit spiegelt sich in ihrem Text wieder, der die Kraft des Mondes und der Sonne besingt und uns dabei in diese Jazz-, Indie-, Soul-Komposition einlullt.
Wer mit dem Glück ringt: Ladina – „Unhappy“
Dieser Track ist ein Liebesbrief der speziellen Sorte, denn er richtet sich an eine Vertrauensperson, die Ladinas Achterbahnfahrt an Emotionen und dem letztendlichen Unglücklichsein viel ertragen musste. Ladina versucht, das Chaos beim Namen zu nennen. Die Pop-Ballade beginnt mit schweren Bässen und befreit sich dann davon auf kathartische Weise im Refrain – gegen Ende des Songs. Denn dann singt Ladina: „I’ll try to be happy“.
Wer einem Tag sein Denkmal schafft: Cori Nora – „Junio“
Viele von uns werden einen Tag oder gar ein spezifisches Datum haben, an dem ein für uns prägendes Ereignis stattgefunden hat; so auch Cori Nora, und zwar den 14. Juni 2019. Der Tag begann mit einem Gefühl der Solidarität und Gemeinschaft, das am feministischen Streik aufkam. Doch dann wurde diese Power durch den Abbruch ihrer Beziehung zerschmettert nur um dann wieder mit der Geburt ihrer Patentochter hervorgehoben zu werden – und das alles in nur einem Tag. Was ein sehr emotional verwirrender Tag gewesen sein muss, wird in einen lo-fi Indie-Pop Song umgewandelt. Man merkt den fast schon verspielten Synthie-Melodien an, dass Cori diesen Tag nun mit anderen Augen sieht und ihn fast schon ironisch findet. So wie die Ironie des Lebens halt.
Wer uns das Strandtuch ausrollen lässt: Komet City & Augustin von Arx – „Peinture d’un Jour À La Plage“
Fast schon schlüpfrig dringt das Saxophon in unsere Ohren, gepaart mit einer beinahe hauchenden Stimme. Es wird einem richtig heiss – so wie an einem Tag am Strand, wie es der Titel verrät. Man fühlt sich dank Komet City & Augustin von Arx an die französische Riviera transportiert, und zwar an eine abendliche Strandparty im Jahr 1987. Vielleicht ist dies genau die richtige Art, den Höhepunkt des Sommers zu geniessen: mit Synthies und Cocktails.