von Sascha Gala Mikic

Wer uns „Oh la la!“ rufen lässt: Julie Meletta – „Chic!“

Irgendwie haben wir bereits gewusst, dass eine Künstlerin, die einen Track namens „Chic!“ im Repertoire hat, französischsprachig ist. Denn was ist schicker als Indie-Pop auf Französisch? Eben. Zu abwechselnd leichten oder bestimmten Beats und Melodien, die Bilder von schwebender Zuckerwatte hervorrufen, ist man bei Julie Melettas Songs schnell zum Mitsummen verleitet. Und wessen Französisch-Kenntnisse nach der 8. Klasse noch im Kopf geblieben sind, kann mit Julie über Millennials, Bindungsprobleme oder Schlaflosigkeit mitsingen. Doch wenn man ihre Songs hört, hat man keine Schwierigkeiten, sich an ihre Musik zu binden und verspürt gar keine Lust zu schlafen. Ob das wohl ihre Absicht war? *zwinker zwinker*

Wer mit dem Feuer der Seele spielt: Alina Amuri – „Soul Call“

Kennt ihr den Spruch „Don’t be eye candy, but soul food?” Metaphorisch lässt sich dieser in Alina’s Song wiedererkennen. Zusammen mit dem Singer-Songwriter Jack in Water wird uns die Geschichte einer unmöglichen Liebe erzählt, in der zwei Menschen ihre Gefühle füreinander presigeben – aber sich nicht auf diese einlassen können. Und somit müssen sie füreinander eye candy bleiben, obwohl sie gerne soul food füreinander wären. Sanfte Piano-Harmonien gemixt mit anschwellenden Beats deuten tasten sich scheu einem Höhepunkt an, aber genau wie in der Geschichte, erreichen sie diesen nicht. Und das hält unser erwartungsvolles Herz immer auf Trab.

Wer unseren Alltag in den Schleudermodus wirft: Urban Junior – „Urban et Orbi”

Das Rezept dieses Albums hört sich fast so an, als hätte der Transformers-Franchise Regisseur Michael Bay einen Schlaganfall erlitten und ein Album konzipiert, das voller ELECTROTRASHGARAGEBOOGIEDISCOBLUES-PUNK ist. Der Zürcher Urban Junior wagt sich an alle Ufer heran und bietet ein musikalisches und emotionales Tohuwabohu an. Wer nicht weiss, was er gerne hören möchte, der stosse mit diesem Jungle Juice aus allem, was an musikalischen Genren erlaubt ist, mit uns an!

Wer ganz geschmeidig bleibt: District Five – „Pause“

Vielleicht habt ihr mitbekommen, dass viele Musiker:innen heutzutage unter Druck stehen, Alben zu produzieren und diese auf sozialen Medien zu vermarkten. Das ist ein riesiger Stress – und genau diesen umgehen District Five mit ihrem neuen Album. In kompletter Eigenregelung haben die vier aus Zürich sieben One-Takes aufgenommen, ganz nach dem Motto „Entspannte Musikproduktion ist das Ziel“. Und diese Entspannung beeinflusst auch Experimentierlust der Gruppe, denn sie bedienen sich diverser Musikstile – und tun das sehr gut!

Wer die Art des Mundart beherrscht: Anouk Noé – „Herzschlag“

Der Fokustrack dieser EP lautet „Ich hebdi“ und ist Müttern gewidmet und der Einsamkeit, welche ein neues Mami nach der Geburt festhalten kann. Doch Anouk findet zu jedem ihrer treffenden Mundart- Texte ein Genre, welches diese treffend ins Rampenlicht rückt. Beschreibt sie die kleinen Kack-Situationen, die wir alle im Alltag erleben? Dann peppt sie den Track mit einem 7/8-Rhythmus auf. Erzählt sie über eine schmerzvolle, aber wahre Liebe? Dann holt sie ihre R’n’B-Vibes und smooth Jazz-Trompeten raus. Somit ist für jeden etwas mit dabei.

Wer eigentlich nicht ins Weltall fliegen muss: eifachBEN – „Mond“

Wie viele Songs über Vater-Sohn-Beziehungen kennt ihr? Nicht viele, wahrscheinlich. Darum ist es nun an der Zeit, euch einen davon vorzustellen: Justin Ben Thomas – oder eben, eifach Ben – singt über die Beziehung mit seinem Vater. Es ist nämlich so, dass die beiden sich manchmal wegen Kleinigkeiten gegenseitig auf den Mond schicken möchten – dabei ist das, was sie in dem Moment wirklich bräuchten, eine Umarmung. Der Pop-Track ist eine sanfte und ehrliche Hymne an alle Väter, vor allem diejenigen, die das sanfte und herzzerreissende Zusammenspiel aus Piano und Gitarre mögen. Go call your dad now!

Wer die Antwort vor der Frage liefert: Jessiquoi – „Jessiwhat“

Wir findens witzig, dass Jessiquoi ihren Namen ins Englische übersetzt. Und jetzt geben wir euch an „Jessiça“, bzw. „Jessithat“: Brilliert hat die Musikerin vor einigen Jahren am M4Music Festival in Zürich, wo sie den Preis als beste Demo of the Year and Best Electronic Award abstaubte. Mit einem Hauch Industrial, einer Scheibe Woodkids dramatischer Tiefe und Amanda Blanks Provokationslust gelingt Jessiquoi auch diesmal ein wirklich einzigartiger Track, der vor Selbstbewusstsein strotzt.

Wer das Rad der Zeit rückwärts dreht: Anna Rossinelli – „I Used to be Young”

Wir auch, Anna, wir auch. Manchmal sehnt man sich nach vergangenen Zeiten, andermal ist man schockiert, wie lange die schon hinter uns liegen. Irgendwie ist es von daher auch passend, dass Anna diese Art von Erinnerung nicht mit Melancholie oder Trauer, sondern mit Nostalgie hervorstreichen will. Und das kann sie am besten mit Country-Folk und Gospel erreichen.

Wer eine Para-llelwelt mit einem kleinen Retro-Refugium erschafft: Paraphon – „Child“

Und wenn wir schon bei Erinnerungen sind (cf. Anna Rossinnelli), dann dürften jene unter euch, die den Vokuhila-Trend insgeheim (oder offen) lieben und zu neonfarbiger Musik herumhüpfen, sich sehr über diese Single von Paraphon freuen. Korrekt: die Rede ist mal wieder von Retro-80er-Sounds und dem Eintauchen in eine Synthie-Pop Welt, in welcher die Realität nicht existiert. Hoch die Hände, gebt der Party kein Ende!

Wer mit Humor unsere Augen öffnen will: Boysel – „Thunfisch“

Natürlich darf auch ein gesellschaftskritischer Track nicht fehlen, denn diese sind in letzter Zeit sehr beliebt hier in der Schweiz (gut so!). Die Rede ist von Billigfliegen, veganem Biokäse, überfälligen Klimaschutzmassnahmen und einer kollektiven Ignoranz zum Weltgeschehen. Aber keine Sorge, man fühlt sich als Hörer:in von Boysel nicht angegriffen, sondern angesprochen. Und, ehrlich gesagt, muss man dabei auch etwas schmunzeln, denn der pointierte Text mischt sich fast schon ironisch mit der sehr entspannten East-Coast-Sonnenuntergangs-Musik. Und genau so regt man Hörer:innen zum Mitdenken an: durch Humor, der verbindet.