von Sascha Gala Mikic
Wer unsere Cowboystiefel aus dem Keller holt: Dear Misses – Leaving Town
Wir wissen so in etwa knapp wie man Muothatal schreibt und wissen noch knapper über die Cowboy-Szene dort Bescheid. Aber: Holt eure Boots raus, denn jetzt wird eine Line..getanzt. (Ha! Nicht „gezogen”, ihr Schlawiner.) Das Lied der Schwyzer Band Dear Misses entstammt eines Konzeptalbums (welches dieses Jahr erscheinen wird) und beschreibt das Leben des fiktiven Wild West Outlaws Frankie Trombone. Mit Mandoline, Fiddle und Bluesharp lässt uns «Leaving Town« ein fettes „Yeehaw!“ johlen.
Wessen Befehl wir nicht widersprechen: The Oskars – Dance
Es gibt selten schlimmere Momente als den, in dem eine Beziehung zu Ende zu gehen scheint. Das hört man in der harten Stimme des Leadsängers von The Oskars aus St. Gallen, die sich an die guten Tage festklammern will. Doch die ebenso harte Gitarre fordert keine Trauer, sondern will nur eines: uns zum Tanzen bringen. Alles herausschütteln, was keine Miete zahlt. Und dann ist der Herzschmerz etwas erträglicher.
Wessen Musik uns völlig verhext hat: Frost & Fog – Coven
Nicht nur wegen ihrem Bandnamen beschert uns Frost & Fog Gänsehaut. Das Duo aus Thun hat mit der EP «Coven» ein durch und durch berührendes Stück Folk-Pop abgeliefert. Die Stimmen von Karen Frauchiger und Adrian Graf vermischen sich so betörend wie Morgentau auf Waldmoos, dazu plingen sanfte Gitarrenharmonien und trösten einfühlsame Songtexte. Würden sich die zwei King & Queen of Convenience nennen, es wäre so gar nicht verkehrt.
Wer das Internet ins Radio bringt: Lapcat – Where You Go
Kennt ihr das Video von Björk, in dem sie einen Fernsehkasten auseinandernimmt und die Teile darin wie eine kleine Stadt beschreibt? All die Kabel, Lichter und Disketten sehen wie eine magische Landschaft aus. Und genauso digital und magisch hört sich Lapcats neuste Single an: Sie führt uns an der Hand durch eine digitale Musiklandschaft, die auch so wie ein Fernsehkasten funkelt, biept und mit Retro-Elementen gespickt ist.
Wer unsere Lungen füllt: Pina Palau – Breathe
Es ist ein ernstes Lied, das während einer ernsten Zeit entstanden ist. Pina Palau singt über ihre Panik während der Pandemie. Die Panik über die Situation, die Hilflosigkeit und die Einsamkeit raubten ihr wortwörtlich den Atem – aber nicht im schönen Sinne. Doch dafür ist «Breathe» ein umso schöneres, gitarrenreiches Lied geworden.
Wer sich nach der Zukunft richtet: Lazer Boomerang – Why Is Everyone So Angry While I Am So Quiet
Klar, wenn man das Wort „Lazer“ im Namen hat, ist der Gebrauch von Synthies schon mal vorprogrammiert. Beim Hören der EP kommt es einem vor, als würde man eine futuristische Stadt aus Glas, Metal und Neonrühren mit seinem Hover-Auto erkunden. Doch so cool diese 80er Ästhetik auch ist, Lazer Boomerangs allererste EP bekämpft Depressionen, den Tod geliebter Menschen und Herzschmerz. Doch diese thematische Schwere wird von einer anderen überschattet, nämlich derjenigen der Bässe.
Wer die Wüste zu uns holt: Hermanos Guiterrez – El Bueno y El Malo
Die beiden Brüder aus Zofingen haben es weit gebracht: Sie halten Konzerte auf der anderen Seite des grossen Teichs und ihre Projekte werden über Dan Auerbachs (von The Black Keys) Label geführt. Wenn sie gerade grössere Bühnen wie jene im Kaufleuten spielen, schreiben sie gesanglose Songs für Reisen in die südamerikanische Wüste und somit die perfekten Soundtracks für Spaghetti-Western-Filme. Oder sollen wir sagen: Tortilla Western.
Wessen Titel uns getäuscht hat: Iron Mayhem – Altstetten
Gemäss Albumtitel oder Künstlernamen könnte man vermuten, dass es sich hierbei um ein Metal-Cover-Projekt handelt. Oder um Rap, das über das harte Leben in (Gw)Altstetten erzählt. Aber falsch gedacht: mit orientalischen Elementen oder 80er Glamrock-Gitarrenriffs bleibt das Ambient-Album der Zürcher Band nicht ganz so ambient, sondern sehr spannend und frisch.
Wer mal auf der Strasse, mal im Studio zaubert: Lisa Oribasi – Yucca
Mal singt sie auf der Strasse, mal arbeitet sie zusammen mit Schweizer Musikgrössen wie Pegasus. Ihre neue Single ähnelt an Pop im…Dschungel? Nun zumindest erinnert die Trommel im Lied an den Beat aus Florence and the Machines «Heartlines», deswegen die Dschungel-Referenz. Somit gelingt Lisa Oribasi ein Track für die wanderlustigen unter euch, die sich nicht am Strand in der Sonne braten, sondern in den Bergen herumwandern.
Wessen Songtitel uns nicht ganz so traurig stimmt: Kyrah – Sad Song
„Früehner isch alles besser gsi“ ist ein Satz, der immer öfter gesagt wird, je älter man wird. Das entnimmt man Kyrahs Single, in der sie über die Sehnsucht nach der Vergangenheit singt und den Song ihrem Grosi widmet. Und tatsächlich scheinen ihre Songs kleine Zeitreisemaschinen zu sein: Durch ihren atmosphärischen Pop klingt die Musik „weit“, so als ob sie ihre Fühler in andere Universen und Zeiten ausstrecken kann.