von Michèle Bianchi

Evelinn Trouble hat Ende Oktober ihr neues Album «Longing Fever» rausgebracht. Die gestandene Schweizer Musikerin, die ehemals bei Stress zwei Töne pro Song im Hintergrund sang, erzählt im Interview, wie sie da angekommen ist, wo sie heute ist. Und wie sie Schweizer Nachwuchskünstlerinnen fördern will.

Evelinn, du warst selbst einmal Promogirl fürs RCKSTR. Erzähl doch mal aus dieser Zeit.
Uh, das ist ein finsteres Kapitel (lacht). Ich war 15, bin mit meiner damaligen Girl-Gang in der Redaktion aufgekreuzt und hab mir mal angeschaut, was das überhaupt ist. Den einen Typen fand ich süss. Dann sind wir wieder gegangen. Wir waren einfach Teenies und wollten mitmachen, um vielleicht gratis an Festivals zu gehen.

Du bist nun ein grosses Vorbild für Schweizer Nachwuchs-Musikerinnen. Was hat dich da hingebracht, wo du jetzt bist?
Es ist definitiv nicht einfach, die Motivation zu behalten. Ich hatte schon einen gewissen Perfektionismus, was die Musik betrifft, und den muss man auch haben. Man sollte streng sein mit der eigenen Qualität, denn es gibt keinen Platz für halbherzige Sachen. Wenn, dann muss man 200%-ig dabei sein. Es ist ein harter Job, aber auch extrem vielseitig.

Hängt das nicht auch stark von anderen Leuten ab?
Ja, das ist so und lange konnte ich mir nicht aussuchen, mit welchen Leuten ich zusammenarbeite. Da muss man den Kontrollwahn auch etwas eindämmen können und Leute in Projekte einbinden. Es ist legitim, etwas einzufordern, wenn man an einem Strang ziehen will.

Du bist die Tochter der Schweizer Jazzmusikerin Marianne Racine und hast dein erstes Album bereits als Matura-Arbeit veröffentlicht. Wie sehr hat dich deine Mutter auf deinem musikalischen Weg unterstützt?
Als Kind haben wir ein- zweimal zusammen gesungen, haben aber nicht exzessiv zusammen Musik gemacht. Aber da es für sie immer normal war, dass man mit Musik Geld verdient, habe ich vielleicht diesen Mindset mitbekommen.

Was ja in der Schweiz überhaupt selbstverständlich ist…
Ja, das stimmt, es ist ein spezieller Beruf, aber auch am Ende des Tages ein Beruf. Und einer mit viel Gratis-Arbeit, die sich erst über Jahre hinweg auszahlt. Und das passt vielleicht nicht so in die Schweizer Vorstellung von einem sicheren Einkommen. Aber für mich war der Schlüsselmoment der Schweizer Musikpreis. Da wusste ich: Ich habe nicht einfach zehn Jahre rumgekrüppelt, sondern es wird anerkannt.

…was ja nicht der einzige Preis war, den du bekommen hast.
Stimmt, vieles habe ich einfach bekommen. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich an meiner Musik als letztes zweifle. Es muss viel schiefgehen, dass ich meine Musik nicht schön finde. Ich habe immer daran geglaubt.

Ist dein neues Album «Longing Fever», wie so viele kürzlich erschienene Releases, ein Lockdown-Baby?
Ich hatte es schon länger. Die Gesänge habe ich im ersten Lockdown fertiggemacht, das Album selber aber ist vorher entstanden. Ich habe mit dem Rausgeben einfach gewartet und die erste Pandemie-Zeit als Runterfahr-Zeit genutzt.

Der gleichnamige Song gefällt mir persönlich besonders gut. Kann man mehr von dir in Richtung traurigem Jazz erwarten?
Das Klavier ist prägend und es ist der einzige Song, den wir live aufgenommen haben. Dadurch hat er eine ganz andere Präsenz und ja, in Punkto Produktion will ich definitiv mehr One-Takes machen. Sie sind oft sehr berührend und eben, live.

Wie sehen deine Tour-Pläne aus?
Auf die Tour freue ich mich besonders, weil wir sind diesmal alles Frauen. Das ist bewusst so ausgewählt, da wir in der Szene viel darüber am Reden waren, wie wenige Instrumentalistinnen eigentlich zu sehen sind im Moment. Und ich möchte als Förderfunktion gerne auch anderen eine Bühne geben. Ausserdem werde ich für Piet Baumgartner im Winter erstmals eine Filmmusik machen.