von Lucas Orellano
Die vielkritisierte Globalisierung ist ja insofern ganz praktisch, als dass man sich ganz einfach diversen crazy shit von überall auf dem Planeten bestellen kann. Da der Westen viel Geld hat und der Rest der Welt eher nicht so, wird das auch munter gemacht. So munter, dass daraus ein Billionen-Business geworden ist. «(Un)Well», die neuste Doku-Serie von Netflix nimmt sich der Wellness-Branche an und versucht herauszufinden, was an den Heilsversprechen verschiedenster Verfahren dran ist.
Bienenstiche auf gut Glück
Hier sind sie in absteigender Reihenfolge der Intensität des zu erwartenden Trips: Ayahuasca, tantrischer Sex, Fasten, Bienenstich-Therapie, ätherische Öle, Muttermilch. Wer erwartet, dass die teilweise doch merkwürdig anmutenden Praktiken zerpflückt werden, wird enttäuscht. Ebenso, wer sich ein Lob der Alternativen Medizin wünscht. Es werden positive und negative Effekte gegenübergestellt, neben den Gurus und Heilern auch Ärzte und andere Fachpersonen befragt. Die Quintessenz aus all dem: Wir wissen auch noch nicht, warum es den einen hilft und den anderen nicht. Und wir lernen: Wer an einer tödlichen Krankheit leidet und alles andere schon probiert hat, dem kann es nicht schaden, ein bisschen zu experimentieren. Für alle anderen: Lasst der Forschung etwas Zeit, sich den ganzen riskanten Krempel mal systematisch anzuschauen und glaubt nicht jedem Heilsversprechen.
Verzweiflung, meet Scharlatan
Verzweifelte Menschen auszunutzen ist so niederträchtig wie einfach. Wenn der Tantra-Guru dir eine «Yoni»-Massage aufdrängt und, oh Zufall, das beste Instrument dafür sein eigener «Lingam» ist, dann ist das keine Therapie, sondern Vergewaltigung. Wenn du Geld dafür bezahlen musst, dass du anderen Leuten Duftöle verkaufen kannst, bist du keine Businessfrau, sondern Teil eines wahrscheinlich illegalen Pyramidensystems. Wenn du dir als Muskelaufbau-Supplement Muttermilch von irgendwoher bestellst, mit der du dir allerlei Krankheiten und Infektionen auflesen kannst, dann, ja dann, bist du selber Schuld. «(Un)Well» ist keine uninteressante Serie, bringt aber, abgesehen von spannenden Einzelschicksalen, nicht viel Licht ins Dunkel. Daher vor allem zu empfehlen für alle, die gerne im Kreis sitzenden Hippies beim Kotzen zuschauen. Und sich hie und da gern mal Fremdschämen.