von Christian K. L. Fischer
Als Kings Elliot ihre erste Single im November 2020 veröffentlichte, hatte sie keine Angst davor, ihre Angst zu zeigen. Im Video zu «I’m Getting Tired Of Me» lässt sie sogar zu, dass die Welt sie bei einer Panikattacke beobachtet – und wie sie diese übersteht. Und in unserer verfluchten Zeit, in der Angst und Unsicherheit das einzig Verlässliche sind, wurde sie von ihren neuen Fans dafür umarmt. «Ich war sehr überrascht, wie die Leute regiert haben», erinnert sie sich. Sie konnte ja auch nicht wissen, dass ihre Art, Traurigkeit in Musik zu giessen, so viel Echo finden würde, denn «I‘m Getting Tired Of Me» ist an sich ein kleines, feingesponnenes und sanftes Lied. Und es hat, wie Kings es beschreibt, eine 40er- und 50er-Jahre Melancholie. «Meine Inspiration sind Lieder aus dieser Zeit.»
Ein Song findet seinen Weg
So ein Song hätte leicht untergehen können und darum sie weiss auch, dass sie viel vom Erfolg den Strukturen zu verdanken hat, die sie wohlwollend aufgenommen haben. «Ich glaube, ich bin in die guten Playlists bei Spotify gekommen. Und Apple Music, auch wenn das dort nicht so transparent ist, haben mir alles gegeben, was ich bekommen konnte.» Sie und ihr Team haben einfach hunderte Leute bemustert und wurden von vielen verstanden. «Aber das ist einfach Glück. Auch auf YouTube – da war ich auf Kanälen mit einer Millionen Followern. Das hilft natürlich.» Sie weiss diese Reaktionen sehr zu schätzen: «Ich gehe da durch die Kommentare und schreibe jedem einzelnen zurück. Wir sehen mal, wie lange ich das noch kann, aber zur Zeit schlafe ich lieber nicht und mache stattdessen das.»
Aufgewachsen ist Kings Elliot im Kanton Schwyz, «in verschiedenen Dörfern», wie es sie beschreibt. Einerseits war Musik schon immer für sie da, doch «ich musste nie ein Instrument lernen. Niemand in meiner Familie ist musikalisch, niemand hat mich gefördert oder ermutigt. Aber seit dem Kindergarten habe ich gesungen und ich wollte immer Sängerin werden. Ich war schon immer davon besessen – auch vom Songschreiben.» So hat sie mit 14 Jahren ihre erste CD eingesungen. «Jemand in der Schule, der hatte ein Studio im Keller. Die CD habe ich einfach in der Schule verkauft. Die Lieder waren zwar nicht sehr gut, aber ein paar Leute haben die noch …», lacht sie. Natürlich hat sie auch schon damals einige Songs in Netz gestellt, «aber nie professionell.» Und auch wieder gelöscht.
Ein Schlafplatz im Studio
Ihr Leben war ansonsten eher «holprig», wie sie sagt. «Mit 14 bin ich zu meinen Vater, der sehr streng war. Deswegen habe ich erst eine kaufmännische Ausbildung und dann noch mein Matura gemacht. Aber ich wollte immer ins Ausland, um Musik zu studieren.» Kings blickte dabei in Richtung New York, aber London erschien ihr machbarer. Sie bewarb sich dort für ein Musikstudium und wurde ein paar Monate später angenommen. «Das ist jetzt fünf Jahre her. Ich habe mir hier ein Leben aufgebaut.» Auch wenn sie in vier verschiedenen Jobs gleichzeitig gearbeitet hat, um zurecht zu kommen. «Die ersten Jahre waren schwierig.» Bis sie den Menschen gefunden hat, mit dem zusammen sie begann, wirklich Musik zu machen: Conway, den man im Netz als halfrhymes findet. Es war für Kings bis dahin immer schwer sich zu öffnen, doch mittlerweile schreibt sie alle Songs sind mit ihm. Ende letzten Jahres lebte sie teilweise bei ihm im Studio, «jede Woche schlafe ich dort auf der Matratze am Boden, drei Tage die Woche.» Allerdings mussten sie die Arbeiten im Dezember unterbrechen. «Ich hatte Corona … und acht Tage lang war das echt der Horror.»
Wohltuende Gefühlsausbrüche
Mittlerweile hat sei die Krankheit überstanden und beide arbeiten an neuen Liedern. Deshalb kann jetzt auch die neue Single «Dancing Alone» erscheinen. Und wieder ist es ein Lied voller Traurigkeit. «Vielleicht geht das mal in eine andere Richtung, aber zur Zeit ist es mein Ausdruck.» Und das, obwohl sie während unseres Gesprächs immer wieder lacht und überhaupt wie das blühende Leben klingt. «Ich habe starke Ups und Downs. Wir lachen oft im Studio und oft weinen wir. In den Liedern kommen die tiefsten Dämonen raus. Was es mir ermöglicht zu funktionieren, ist diese traurigen Lieder zu schreiben.» Sie hat auch keine Angst, diese Songs immer und immer wieder zu singen und sich so auch in der Zukunft mit ihnen und diesen Gefühlen auseinander zu setzen. «Wenn ich diese Lieder singe, wenn ich mich da wieder reinfühle, heile ich immer ein wenig mehr.» Und mit etwas Glück, gilt das auch für uns.