von Nadine Wenzlick

Ian Hooper gehört nicht zu jener Sorte Mensch, die den Kopf schnell in den Sand stecken. Als die Corona-Pandemie vergangenes Jahr die Welt zum Stillstand brachte, hätte es den Sänger der Indie-Folk-Band Mighty Oaks mit Gram erfüllen können, dass die Kampagne und Tour zu ihrem gerade veröffentlichen Album «All Things Go»damit ein jähes Ende fand – doch Hooper ging lieber auf Angriff: Der in Berlin lebende Amerikaner setzte den lang gehegten Traum vom eigenen Kellerstudio um und fing an, neue Songs zu schreiben. «Das ist meine Art und Weise, die Welt zu verarbeiten», sagt er. «Wir alle waren plötzlich mit sehr viel neuen Sachen und Herausforderungen konfrontiert. Man wurde gezwungen, die Welt anders zu sehen und vieles neu zu überlegen. Für mich ist es dann immer am einfachsten, mich in die Musik zu vertiefen und mich so damit auseinander zu setzen.» Das Ergebnis ist «Mexico», das vierte Album der Band.

Erst rocken, dann kochen

Weil Hooper in seinem neuen Heimstudio alles hat, was man braucht, fasste die Band kurzerhand den Entschluss, die Songs dort gemeinsam mit Produzent Nikolai Pothoff auch aufzunehmen. «Das war natürlich eine sehr entspannte Atmosphäre», so Hooper. «Die, die nicht gearbeitet haben, haben einfach oben gechillt. Wir haben jeden Abend zusammen gekocht und gegessen – es war alles mehr Familie als Arbeit.» So wie ganz am Anfang in der Geschichte von Mighty Oaks, als die Band in der Küche von Hooper zusammen Musik gemacht hat. Den Songs hört man das an. Während Mighty Oaks an ihren letzten beiden Alben viel gemeinsam geschrieben und sich musikalisch breiter präsentiert haben, ist «Mexico» wieder folkiger und abgespeckter. «Gewissermassen ist es back to the roots», so Hooper. «Dadurch, dass ich wie bei unserem Debüt wieder viel alleine geschrieben habe und die Zeit hatte, die Lieder so zu schreiben, wie ich es fühle.»

Menschen am Limit, Menschen am lieben

Und weil das letzte Jahr eben kein Zuckerschlecken war, geht es auf «Mexico» auch um die Schattenseiten des Lebens – um Sucht wie in «Devil And The Deep Blue Sea» und «My Demons» sowie um mentale Gesundheit. «Ich glaube im letzten Jahr sind sehr viele Menschen ans Limit gekommen», so Hooper. «Mentale Gesundheit ist aber immer noch ein Tabu in Deutschland. Es wird eher vorgeschlagen einen Kräutertee zu trinken oder zur Akupunktur zu gehen statt zum Psychiater.»

Auch den amerikanischen Traum stellt er auf den Prüfstand, und zwar in «Land Of The Broken Dreams». «I never saw it coming / an avalanche of hardship», heisst es darin. «Amerika ist kein Sozialstaat», so Hooper. «Wenn du da durchs Raster fällst, fällst du in unendliche Tiefe und wirst nicht aufgefangen.» Neben aller Gesellschaftskritik gibt es auf «Mexico» aber natürlich auch Stücke über die Liebe. «Wie immer bei Mighty Oaks», grinst Hooper. «Ich habe das Glück, dass ich gesunde und glücklich Beziehungen habe. Liebe ist halt das allerwichtigste in der Welt. Wenn es mehr davon gäbe, wäre die Welt gesunder.»

Bekannt aus der TV-Werbung

Gut möglich übrigens, dass Mighty Oaks sich mit ihrem vierten Album eine ganz neue Hörerschaft erspielen. Hooper ist aktuell nämlich Teil der achten Staffel der VOX-Show «Sing meinen Song». «Wir sind an den Punkt gekommen, wo unsere Musik zwar schon einige Leute kennen, aber vielleicht wissen sie gar nicht, wer dahintersteckt», so Hooper. «Ich sehe das als Chance und habe null Angst vor der Indie-Polizei. Wenn jemand eine Band in Zeiten einer Pandemie, wo nichts läuft, dafür kritisieren will, dass sie ins Fernsehen geht, um vorwärts zu kommen, ist das ein sehr verbittertes Arschloch…»