von Sascha Gala Mikic
Wie würdest du reagieren, wenn dein:e beste:r Freund:in ums Leben käme? In ihrem neunten Album «Chris Black Saved My Life» thematisiert die Band den Verlust ihres Freundes Chris Black, dessen Ansichten auf die Welt und Einsichten in alle wichtigen Themen des Lebens eine wichtige Säule darstellte. Ein Gespräch mit dem Frontmann John Gourley über Community, Politik und wie einen das Aufwachsen in Alaska prägt.
Du hörst dich fröhlich an. Woran liegts?
Wir haben gestern unsere erste Album-Listening-Party in Portland gefeiert! Es ist sehr interessant, das Album als fertiges Produkt zu hören, aber an diesen Debüt-Feiern schleiche ich mich eigentlich immer aus dem Raum raus, weil ich nicht will, dass die Gäste, die zuhören, sich gezwungen fühlen, eine bestimme Reaktion zu haben.
…aber gestern bist du etwas länger im Raum geblieben?
Ja, gestern war ein sehr positiver und spassiger Abend!
„Chris Black Changed My Life” ist euer neuntes Album, fühlt sich das surreal an?
Sehr! Während der letzten zwei Alben machte die Band einiges durch. Wir waren orientierungslos, aber arbeiteten dennoch an drei Projekten. Doch dann kam unser Freund Chris Black ums Leben und dieses einschneidende Erlebnis gab all der Orientierungslosigkeit und nie endenden Experimentierfreude eine neue Perspektive.
Inwiefern?
Wir begannen uns auf bloss ein Projekt zu konzentrieren, ein sehr intensives. Es begann während des Lockdowns und diese Zeit war von viel Beklemmung geprägt. Wie geht man mit dem Tod eines Freundes um, der eine derart wichtige und grosse Rolle in meinem Leben spielte? Es war nicht so, als hätte ich diesen Verlust explizit als ein Album konzipieren wollen. Doch durch dieses Ereignis kam die Inspiration auf einmal aus einer komplett anderen Richtung, denn ich hatte noch nie jemanden auf diese Weise verloren.
Mein aufrichtiges Beileid, das ist natürlich ein sehr tragischer Verlust. Es scheint so, als würde man die Verarbeitung dieses Todes am besten in den Texten wiedererkennen, zum Beispiel in den Songs „Grim Generation“, „Ghost Town“ und „Heavy Games“.
Ja, das könnte man so sagen. Ich habe diese Lieder tatsächlich praktisch direkt nach seinem Tod geschrieben, allerdings geht es in ihnen eher um das Thema „Community“, also darum, dass man eine Familie aus Gleichgesinnten und Freunden gründet. Chris war ein zentrales Mitglied dieser Familie. Er war ein sehr empathischer, sich um seine Freunde sorgender und lieber Mensch, mit dem man über die wirklich wichtigen Dinge im Leben reden konnte. Von daher war es schwierig, einen Umgang mit dem Verlust einer derart wichtigen Person zu finden und somit auch den Gesprächspartner zu verlieren, der eine neue Ansicht auf krasse Ereignisse in Runde werfen kann.
Jeder sollte einen Chris Black im Leben haben.
Absolut! Im Album hört man einen Übergang heraus: vor seinem Tod schrieb ich über die Welt, das Geschehen in ihr und unsere Community. Danach wird das Album introspektiver und wirkt dadurch etwas isolierter.
Liege ich richtig, wenn ich sage, dass man diesen Introspektive in „Doubt“ oder „Anxiety:Clarity“ heraushört?
Genau. Und „Time’s a Fantasy”. Es ist für mich sehr wichtig, dass ein Album einen kurz zuvor erlebten Moment im Leben festhält und alle Songs sich darauf beziehen. Früher war mein Prozess insofern weniger introspektiv als dass ich fähig war, dutzende von Songs zu schreiben und dann aber gewisse Parts mit anderen neu vermischte. Es war sehr chaotisch damals und ich glaube, unser neustes Album ist bissfester und konsistenter als die früheren.
Kommt diese Konsistenz von daher, dass ihr dieses Mal mit ganz viel anderen Künstler:innen zusammen gearbeitet habt?
Ja, wir waren in Texas in einer Stadt nahe der mexikanischen Grenze und haben dort mit unseren Freunden aus Mexiko musiziert und gejammt und…das Album ist so auf organische Weise entstanden. Das ist eben das schöne an dieser Community: alles kommt zusammen und jegliche Kreativität darf frei fliessen.
Das hört sich sehr schön an und so befreit von jeglicher Art von Wettbewerb.
Genau! Ich glaube, es kommt auch darauf an, in welcher Stadt man Anschluss zur Musikszene findet. Wir kommen ursprünglich aus Alaska und sind dann irgendwann nach Portland gezogen, das sich seit den 90ern als einer der wichtigsten melting pots für Musik behauptet. Dort kümmern sich Musiker:innen umeinander, helfen aufrichtig jedem und jeder. Zum Beispiel, der Bassist von Unknown Mortal Orchestra, Jacob Portrait, hat meine Musik geprägt; er ist verantwortlich dafür, dass unser Sound heute so klingt, wie er es tut. Fast so, als wäre er mein Bruder. Und das gilt für alle anderen, die mit uns am Album gearbeitet haben.
Wenn wir schon bei der Community sind: in “Thunderdome”, das ihr mit Black Thought und Natalia Lafourcade aufgenommen habt, nehmt ihr sehr klar eine politische Stellung ein. Habt ihr manchmal nicht Angst, dass ihr einige Fans damit vergrault?
Alle wissen, was unsere Gedanken zu vielen politischen Themen sind, die gerade in konservativen Staaten zu Destruktion einer funktionierenden Demokratie führen. Das heisst aber nicht, dass wir keinen Dialog mit jemandem, der andere Stellungen vertritt, führen können. Schlussendlich brauchen wir alle mehr Empathie und Einsicht, denn viele Menschen in den USA wissen gar nicht, was sie über die andere Seite nicht wissen. Doch unser politisches Engagement ist sehr basic.
Basic? Aber ihr protestiert doch die Bücherverbote oder geht an Demos. Das würde ich nicht basic nennen.
Na gut, ich sehe was du meinst. Wir haben schliesslich auch mit etwas Neuem angefangen, wenn wir in den USA touren, sogenannte „land acknowledgements“. Vor jedem Konzert laden wir einen Ureinwohner Amerikas aus dem Gebiet, in welchem unser Konzert stattfinden, dazu ein, entweder eine kurze Rede zu halten, ein traditionelles Lied zu singen oder so ähnlich. Damit wird auf diese Menschen, die oftmals auch vertrieben wurden, aufmerksam gemacht. Das Ganze sollte eher als ein Kennenlernen dieser Menschen und ihrer Anliegen dienen und vielleicht den ein oder anderen zum Helfen verleiten.
Dieses „einander helfen“ scheint wirklich ein wichtiger Kern eurer Persönlichkeit zu sein.
Oh ja, wir sind in Alaska aufgewachsen und dort bringt dich die Natur in all ihren Formen um (lacht). Deswegen wurden wir alle so aufgezogen, dass wir jedem helfen müssen, der Hilfe benötigt. Wenn ich herumfahre und jemanden sehe, dessen Auto kaputt ist, bremse ich und versuche es zu flicken.
Ich habe noch eine letzte Frage: wie wichtig sind gut geschriebene Texte für euch? Denn etwas, was zu euch dazugehört, sind sehr verwirrende, aber doch auch nachvollziehbare Lyrics.
Absolut wichtig! Ich liebe gute ineinander geflochtene Texte, die etwas aufheizen. Das kommt davon, dass wir ständig old school Hip-Hop gehört haben und irgendwann dann plötzliche Punk. Somit kam es dazu, dass die Band einen Punk-Ethos pflegt und die Songs doppeldeutige Lyrics haben. Ich mag einfach subversive Nachrichtenvermittlung, die man als Hörer:in nicht sofort erfasst. Das gibt unserem Dasein ein bisschen was Mystisches.