von Sascha Gala Mikic

Es ist eine kleine handvoll Jahre her seit Alexander O’Connor aka Rex Orange County einen Song auf SoundCloud hochlud und dieser sich wie Lauffeuer in die Weiten des Internets verbreitete. Diesen Monat veröffentlicht der Brite sein viertes Album «WHO CARES?», welches während einer erwartungslosen Jamsession in Amsterdam entstand. Im Interview erzählt Alex ganz bescheiden, welche Phase seines Lebens dieser Release verkörpert.

Wie fühlt es sich an, wieder auf Tour zu gehen nach jahrelanger Pause?

Ich habe es wahnsinnig vermisst! Momentan befinde ich mich in den USA und habe soeben das Vorwärmen für Stephen Colberts «Late Night Show» hinter mir, in der ich heute Abend auftreten werde. Es war mental ein wenig harzig, so lange nicht auf der Bühne sein zu können, deswegen hab ich dieses Jahr meine Agenda mit allerlei Festivals und Konzerten vollgepackt.

Dir scheint das Auftreten auf der Bühne sehr viel Freude zu bereiten.

Absolut, Performance ist für mich das coolste am Musikersein. Die Etappe, in welcher der Prozess des Songwritings stattfindet, hab ich nie mega gemocht. Also, heutzutage schon mehr als früher. Aber generell erfüllten mich Konzertauftritte immer am meisten mit Aufregung und Spass – so sehr, dass ich immer zuerst Konzertauftritte verkünden wollte bevor ich meine Songs überhaupt geschrieben hatte (lacht). Vielleicht hat das was damit zu tun, dass ich als Kind oft Theater gespielt habe. Das war eine tolle Zeit.

Jetzt verstehe ich, weswegen der Prozess des Songwritings bei dir so schnell geht. «WHO CARES?» wurde ja praktisch in weniger als zwei Wochen aufgenommen. Was hast du denn in den Jahren, seit dein letztes Album erschienen ist, getrieben?

Oh, ich brauchte eine ganz lange Pause. Keine sozialen Medien, kein Internet und sogar kein Handy! Klingt vielleicht etwas extrem, aber ich fühlte mich weniger in der Realität verankert. Ich hatte zu viel Zeit im Internet verbracht und musste erneut erlernen, mit realen Menschen, in der realen Welt und zu einer realen Zeit zu existieren und mal einfach mit mir selbst zufrieden zu sein.

Hat diese Distanzierung vielleicht damit zu tun, dass du dich unter Druck gesetzt gefühlt hattest, gewissen Erwartungen entsprechen zu müssen?

Vielleicht. Ich kann es nicht wirklich einschätzen. Ich bin sehr glücklich und blessed, dass ich es mir erlauben kann, Zeit für mich zu nehmen. Die Menschen um mich herum verstehen das und nehmen es mir nicht böse. Sie geben mir auch Ratschläge, so wie Tyler, the Creator. Er hat mir beigebracht, wie ich mich weniger um die Meinung anderer sorgen soll.

Tyler, the Creator und du kollaboriert auch in diesem Album wieder zusammen, zum Beispiel in der Single «Open A Window». Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?

Er hat mir eine Nachricht geschickt und gesagt, er wäre ein Fan meiner Musik, was mich natürlich total erfreute, weil ich ein ebenso grosser Fan von ihm bin. Wir haben einen sehr ähnlichen Musikgeschmack und er liebt Musik genau so sehr wie ich. Er hat mir gezeigt, wie ich mich sorgloser in dieser Welt der Musikindustrie bewegen kann und ich hab ihm im Gegenzug immer geraten, er solle auf seinen Alben öfter singen; er hat eine echt tolle Stimme!

Gibt es auch andere Künstler, mit denen du gerne zusammenarbeiten würdest?

Natürlich! Die Liste der Menschen ist lang, aber ich behalte sie für mich ,um das Schicksal nicht zu jinxen (lacht). Es wäre auch am besten, wenn eine Zusammenarbeit auf eine natürliche Weise zustande kommt. Zum Beispiel, dass ich der Person auf der Strasse begegne und ihr ins Gesicht sage, wie toll ich ihre Arbeit finde.

Schön zu hören, dass du voller Ambitionen bist und so positiv in die Zukunft blickst. Doch dein neues Album enthält Lieder wie «Not Worth It, Keep It Up» oder «7am», die Momente des Zweifels und der Erschöpfung festhalten. Bereust du gewisse Ereignisse oder Aspekte deiner Arbeit?

Reue ist ein harsches Wort. Klar, meine Ansicht auf die Welt hat sich verändert, aber das kommt auf jeden zu, egal welche Arbeitserfahrung man macht. Aber Reue? Hmm, es gab Momente, da dachte ich mir rückblickend: «Toll, jetzt habe ich ein oder zwei Jahre an Etwas verschwendet!» Aber am Ende ist verlorene Zeit halt verlorene Zeit. Anstatt Reue, würde ich lieber einen Ratschlag an mein jüngeres Ich geben wollen. Nämlich, dass ich mehr Mut haben sollte, meine Meinung zu sagen und es mir auch erlaubt ist, Menschen um mich herum zu kritisieren.

Befolgst du diesen Ratschlag heutzutage?

Gewissermassen, ja. Alex O’Connor und Rex Orange County sind zwar eng miteinander verbunden, aber dennoch zwei verschiedene Personen. Rex Orange County gibt mir die Möglichkeit, egal was zu produzieren und zu sagen, ohne es unbedingt erklären zu müssen. Ich versuche, eine Balance zwischen ihm und Alex zu finden, das echte Ich, das Musik liebt und Songs schreibt die wahr, halbwahr oder überspitzt sind – sich jedoch hinter Rex‘ Maske verstecken kann. Es ist theoretisch ein sehr visuelles hin und her, wobei Rex nur das Publikum zu Gesicht bekommt.

Inwiefern unterscheidet sich «WHO CARES?» deiner Meinung nach von deinen vorherigen Alben?

Ich hoffe, dass jede Platte einen gewissen Zeitabschnitt meines Lebens festhält. Den grossen Zusammenhang zwischen den Alben bildet mein Gehirn mit all seinen Ideen (lacht), aber im Grunde genommen bildet das neuste Album den neusten Stand einer Reife. Es erzählt von einer gesunden Distanzierung zu und Betrachtung von einem Tohuwabohu an Gefühlen und Ängsten, die mich in diesem Beruf begleitet haben. Manchmal kann ich jahrelang damit verbringen, zu sehr über etwas nachzudenken und «WHO CARES?» manifestiert eine gewisse Freiheit, die ich mir selbst erkämpft habe.

Dieses Sentiment der Freiheit ist hervorragend spürbar durch die orchestralen Elemente, die deine neue Platte durchweben.

Ha, die stammen alle vom Benny Sings, dem niederländischen Produzenten, den ich zu einer Jamsession in Amsterdam traf. Er hat sehr viele Samples an Orchestermusik. Wir haben damit herumgebastelt und bemerkt, dass sich das Ganze gut anhört und anfühlt.

Wie kommts, dass du «WHO CARES?» mit Benny in Amsterdam produziert hast?

Oh, eigentlich wollte ich bloss in Amsterdam rumchillen. Ich hatte da keine so grossen Pläne. Irgendwann kam es zu einem spontanen Treffen und einer anschliessenden Jamsession. Wir hatten beide keine grossen Erwartungen, sondern wollten einfach mal Dampf ablassen. Und siehe da – innerhalb weniger Tage entstanden die ersten Tracks des Albums und kurz darauf auch das gesamte Album!

Es muss cool sein, von solcher Spontanität profitieren zu können. Doch darf man fragen, ob du konkrete Zukunftspläne hast?

Huch, wie wärs mit dem Plan, Musiker zu bleiben bis ans Lebensende? Ich habe viele Ambitionen und möchte in den folgenden Jahren einiges erreichen. Andererseits, wenn ich zu sehr einen Plan befolge, kann es passieren, dass dieser nicht aufgeht und ich dann enttäuscht bin. Aber ich bin noch jung und werde es noch eine Weile lang bleiben.