von Nadine Wenzlick
Mal ehrlich: Eigentlich geht es uns doch meist ziemlich gut. Vielleicht sogar zu gut, wie Steiner & Madlaina es in «Es geht mir gut» auf den Punkt bringen. «Hand in Hand liegen wir im Gras, denken nur an Spass / Ich will nichts tun / Hab heute keine Sorgen und denke nicht an Morgen / Obwohl ich weiss: wenn wir alle Lust drauf hätten, könnten wir die Welt noch retten», heisst es im Eröffnungsstück ihres zweiten Albums «Wünsch mir Glück». Autsch, das hat gesessen – und ist nur ein Beispiel dafür, dass das Zürcher Duo kein Blatt vor den Mund nimmt und ihre Texte dieses Mal besonders schlagfertig und pointiert sind. Als «Gute-Laune-Songs mit leicht bitterem Nachgeschmack» bezeichnen sie selbst das. Doch der Reihe nach.
Für alle, die die letzten drei Jahre auf der dunklen Seite des Indie-Monds gelebt haben und deshalb noch nicht wissen, wer diese spannenden Newcomer sind: Hinter Steiner & Madlaina stecken Madlaina Pollina und Nora Steiner. Pollinas Vater ist der italienische Liedermacher Pippo Pollina, ihr Bruder Julian Pollina ist besser unter dem Namen Faber bekannt. «Musik spielte bei uns zu Hause immer eine grosse Rolle», sagt sie. «Mit elf habe ich dann angefangen, Gedichte zu schreiben. Und irgendwann habe ich gemerkt, dass man beides ja zusammenbringen könnte.» Praktischerweise lernte sie damals in der Schule Nora Steiner kennen, die inspiriert von ihrer grossen Schwester vom Gitarrespielen besessen war. Seitdem machen die beiden zusammen Musik – erst in einer Band und seit rund fünf Jahren als Duo. Nach den beiden EPs «Ready To Climb» und «Speak» erschien 2018 ihr umjubeltes Debütalbum «Cheers». Im Folgejahr spielten Steiner & Madlaina 110 Konzerte – auf eigenen Touren, namenhaften Festivals sowie als Support für Faber und Element of Crime.
Ein Album mit satter Live-Energie
Mit «Wünsch mir Glück» steht Steiner & Madlaina nun noch Grösseres bevor, denn sowohl musikalisch als auch textlich legen die beiden eine ganze Schippe drauf. «Dadurch, dass wir so viel auf Tour waren, war uns wichtig, dass Album einen stärkeren Band-Sound hat», erklärt Pollina. «Wir haben es mit unserer Live-Band einspielt und arrangiert und ich finde das hört man. Es klingt mehr wie ein Konzert von uns.» Indie-Folk und Pop verfeinern die beiden mit ihrem oft verschmelzenden Gesang, es dürfen aber auch mal staubiger Blues wie in «Und die bin ich» oder wütende Gitarren wie in «Wenn ich ein Junge wäre (ich will nicht lächeln)» sein.
Besonderes Augenmerk legten die beiden aber auch auf die Texte, über die sie während des Schreibprozesses viel diskutierten. «Unsere Ansprüche sind einfach gewachsen», sagt Pollina. «Es muss ja eine Verbesserung da sein, sonst kann man aufhören.» Sangen die beiden auf ihrem Debüt noch auf Deutsch, Englisch und Schweizerdeutsch, sind dieses Mal alle Texte auf Deutsch. Mit viel Humor und Scharfsinnigkeit blicken Steiner & Madlaina auf unsere Gesellschaft und ihre Generation, es gibt Trennungslieder wie «Prost mein Schatz» oder das aus der Sicht eines feministischen Chauvies gesungene «Ciao Bella».
Im Echo vom Frauenstreik 2019
In «Wenn ich ein Junge wäre (ich will nicht lächeln)» derweil bringt Steiner, inspiriert vom Frauenstreik in Zürich im Sommer 2019, ihren Frust über Sexismus und mangelnde Gleichberechtigung zum Ausdruck. «Ich habe oft den Eindruck, dass Männer es im Musikbusiness viel leichter haben», sagt sie. «Frauen müssen vor allem gut aussehen und freundlich sein. Wenn man mal schlecht drauf ist, gilt man sofort als Diva. Bei Typen ist das okay, die sind halt Rockstars. Überhaupt wird einem als Frau oft das Gefühl gegeben, dass man sich erst mal beweisen muss. Generell gibt es in Sachen Gleichberechtigung noch viele Ungerechtigkeiten, auch wenn langsam eine Sensibilisierung einsetzt.»
Damit die heile Welt noch eine Weile hält
Ein weiteres Schlüsselstück des Albums ist «Heile Welt», das aus der Feder von Pollina stammt. «Damit unsere heile Welt noch eine Weile hält / Halten wir uns raus, nur so fühlen wir uns Zuhaus», heisst es darin. «Es ist einfach frustrierend», so Pollina. «Eigentlich könnte man so viel machen, aber man fühlt sich ohnmächtig. Das gilt für das Frauenthema, aber auch ganz viele andere Dinge.» Das Besondere an den Songs von Steiner & Madlaina ist dabei, dass sie nie bloss mit dem Finger zeigen, sondern sich selbst immer miteinbeziehen. Wenn man so will, ist «Wünsch mir Glück» eine Art Einladung, mal darüber nachzudenken, ob und wenn ja wo man vielleicht selbst Teil des Problems ist – und wie man daran etwas ändern kann. «Genau dieser Gedanke steckt tatsächlich in jedem Song», bestätigt Pollina. «Wenn wir uns alle bemühen, wird es vielleicht was. Aber dafür muss man erst mal erkennen, dass man selbst auch Fehler macht und nicht perfekt ist.»