von Sascha Gala Mikic
Mitte Oktober feierte das Trio Velvet Two Stripes den Release ihres dritten Albums „S.H.I.T.“, aka Sugar Honey Ice Tea. Um 10 Uhr morgens, kurz nach einem Auftritt in Belgien und den Schlaf gerade aus den Augen gerieben, erzählt uns Frontfrau Sophie, welche Anekdoten das Album prägen und weswegen das Trio weder aus Zucker noch aus Honig gemacht ist.
Wir wissen, das Thema Covid-19 hängt allen zum Hals raus, aber: Wie war es, während einer Pandemie ein Album aufzunehmen und herauszubringen?
Grossartig! Wir waren in unserer kleinen Bubble und konnten uns mit Herzblut dem Projekt widmen. Es war sozusagen Glück im Unglück: Vorher haben wir alle studiert und sind die ganze Zeit für unsere Bandtreffen gependelt; diesmal hatten wir keinerlei Ablenkungen. Und da alle Beizen geschlossen waren, sind wir manchmal bis 3 Uhr morgens am Herumtüfteln gewesen.
Das Herumtüfteln hört man heraus! Ihr scheint euch mehr gegenüber Melodien und Harmonien geöffnet zu haben, zum Beispiel in «Fever» und «This House Is Built on Sand».
Da hatte unser neuer Produzent, Nick Kaufmann, ein bisschen Einfluss darauf und uns dazu ermutigt, was Neues zu wagen. Aber wir sind auch über die Jahre hinweg selbstbewusster geworden und wollten nicht nur „Hau-drauf“, geradlinigen Rock produzieren, sondern auch Facettenreicheres. «This House Is Built on Sand» klang am Anfang viel fröhlicher, aber irgendwie passte uns das nicht, also haben wir ihn umgeschrieben und Harmonien eingebaut. Mal was anderes (lacht).
Woher kommt denn dieses Selbstbewusstsein?
Wir gehören zum Beispiel keinem Label an. «S.H.I.T.» ist somit das zweite Album, welches wir in eigener Regie herausgebracht haben. Das bedeutet, dass wir am Anfang sozusagen eine eigene Firma aufbauen mussten, um uns die Mechanismen des Musikbusiness selbst beizubringen. Da steckt sehr viel Arbeit dahinter und daran sind wir auch gewachsen. Zum Beispiel, vor zehn Jahren hätten wir jede Hilfe angenommen und jedes Mansplaining als Ratschlag betrachtet – in der Annahme, dass es die anderen besser wissen müsse. Die sind ja auch schon länger im Business drin. Aber nach fast zehn Jahren in der Branche und viel Selbstverantwortung auf den Schultern können wir sagen, dass es heute wenige Leute gibt, die uns noch etwas vorschwatzen können.
Tja, ist leider kein Wunder, dass man als Frauenband dem Mansplaining mehr ausgesetzt ist. Was waren denn spezifische Erfahrungen?
Es waren zum Glück meistens Kleinigkeiten, aber diese akkumulieren sich eben. Sprüche wie «Ich höre eigentlich nie Frauenbands, aber ihr seid echt toll – für eine Frauenband!» sollte man nicht als Schulterklopfer hinnehmen. Und bei «Würdet ihr euch etwas ‚lockerer‘ anziehen, hättet ihr auch mehr Erfolg beim Ticketverkauf» muss man sich echt zusammenreissen, um ruhig zu bleiben. Und was uns besonders auf die Nerven geht, ist, wenn beim Testen des Equipments vor Konzerten etwas mit der Verkabelung nicht stimmt und die Tontechniker automatisch glauben, der Fehler liege bei uns. Erst wenn einer unserer männlichen Tontechniker den anderen zeigt, dass sie im Unrecht liegen, hört das Herumnörgeln auf. Und von solchen Problemen sind nicht nur wir betroffen, sondern auch die Tour-Managerin, Technikerinnen und Bookerinnen.
Spiegelt sich dieses «sich zusammenreissen» im Albumtitel und Song «FU» wider? Beides sind höflichere Formen des Fluchens, somit sagt ihr eure Meinung mehr oder weniger durch die Blume.
Das könnte man so sagen, ja. Wir wollten wirklich keinen Songtitel als Albumtitel verwenden, also haben wir mit Redewendungen und Slang-Sprüchen geflirtet. Der Ausdruck «Sugar Honey Ice Tea!» wird in den Südstaaten der USA oftmals anstelle von «Shit!» verwendet und FU ist die Abkürzung für «Fuck you». Moll, die Erfahrungen und unser Sentiment spiegeln sich in den Liedern und Titelwahlen wieder. Als Franca (Gitarre) in den Bergen Saisonarbeit leistete, gabs immer wieder Momente, in denen ein Kunde nach männlichem Personal verlangte und ihr keine Kenntnisse zutraute; daraus entstand dann «FU» (lacht).
Eurer Musik wird oftmals ein Riot Grrrl Punk Stempel verpasst oder sie wird als Abhandlung eben solch unfairer Situationen, die Frauen ständig widerfahren, vermarktet. Ist das tatsächlich die Prämisse eurer Songs oder wirken solche Beschreibungen eher einschränkend und absolut?
Puh, du, also Riot Grrrl Punk oder Grrrl Power ist nicht eine Beschreibung, die aus unserer Ecke stammt. Wir haben nicht so viel mit Punk-Ideologien am Hut, bzw. wollen unsere Musik nicht unbedingt politisieren. Unsere Lieder sollten auch Spass machen. Jedoch kommen wir um gewisse gesellschaftliche Botschaften nicht drum herum, ganz klar. Schlussendlich vermittelt jeder Song auf der Welt eine Botschaft, einfach gesagt. Somit ergibt es Sinn, dass sich andere auch mit den Botschaften und Lyrics unserer Musik, geprägt und inspiriert durch bestimmte Anekdoten, identifizieren können.
Diese Identifikation kann man auf Spotify und YouTube beobachten. Anscheinend mögen viele euren Hit «Wooden Bones».
Der Song ist eine Hymne gegen all jene, die uns gesagt haben, wir sollten doch einen anständigen Job haben. Okay, wir arbeiten neben unserer Musik – was etwas ironisch ist, da wir unsere Band eigentlich als Hauptberuf bezeichnen (lacht). Aber wir hatten es so satt, dass dieser ständige Druck auf uns gelastet hat, uns mit etwas Normalem beschäftigen zu müssen. Wir wollten nicht in eine Ecke gedrängt werden.
Und das hört man auch wirklich! Deine Stimme ist voller Kraft und so herrlich kratzig, passt echt perfekt zum Sound!
(lacht) Danke. Wir haben bis Ende Januar noch viele Konzerte und eine Tour durch Deutschland vor uns, da wird sie vielleicht noch kratziger werden.
Und darf man scheu fragen, ob bereits neue Projekt am Horizont liegen?
(lächelt verschmitzt) Perhaps. Vielleicht eine EP im kommenden Jahr, wer weiss. Wir werden auf jeden Fall fleissig weiterarbeiten.