von Christian K.L. Fischer

Es gibt immer wieder Filme, die bei weitem nicht perfekt sind – manchmal sogar ziemlich weit entfernt davon, auch nur gut sein – die aber trotzdem wie durch ein Wunder funktionieren. Auf ihre Art. Klar, man kann dann trotzdem stundenlang rummäkeln – oder einfach den Spass haben, der einen angeboten wird. Und der erste „Venom“-Film war genau so ein Phänomen. Voller Makel aber durchgeknallt, holternd und polternd aber auch hemmungslos und wild. Und den meisten Dank für den unerwarteten und trotzigen Erfolg muss man dem Hauptdarsteller Tom Hardy zollen, der sich mit einer Begeisterung in den Wahnsinn stürzte, die schon an Liebe grenzt. Zwei so gegensätzliche Persönlichkeiten zu verkörpern, stand wohl schon lange auf seiner Wunschliste. Denn egal ob er gerade Eddie Brock oder Venom verkörperte, man sah ihm an, dass er einfach Freude dabei hatte, auszuticken. Man musste sogar fast an Bruce Campbell denken. „Venom“ war eine Ein-Mann-Show, die bewies, dass Comicbuchverfilmungen auf Regeln und Sicherheit verzichten können, wenn man sie nur als genauso skurrile Projekte umarmt, wie es ihre Urversionen sind. Oder aber das Chaos der Produktion.

Monströse Exzesse

So oder so: Auch der zweite Venom-Film macht einen Köpper vom Zehn-Meter-Brett in den Exzess, denn Tom Hardy dreht wieder genauso auf wie beim ersten Teil. „Es ist eine Freude zwei verschieden Teile einer Psyche zu spielen,“ sagt er zufrieden. Besonders wenn sie so extrem auseinanderliegen wie die von dem Normie Eddie und die vom titelgebenden Venom – und beide zusehen müssen, wie sie sich einen Körper teilen als wäre es eine Wohnung und sie Mitglieder einer kleinen WG. Und während Eddie an sich nur ein normales Leben führen will, ist es Venoms Angewohnheit zum Monster zu werden und Chaos und Zerstörung zu bringen. In „Let There Be Carnage“ nun stehen die Beiden dem Serienmörder Cletus Kasady gegenüber, der seinen eigenen Symbionten in Form von Carnage begegnet.

Ebenbürtiger Gegenspieler

Und Woody Harrelson, der die Rolle von Kasedy übernommen hat, scheint sich ebenso dem Wahnsinn verschrieben zu haben wie Tom Hardy. Wahrscheinlich haben die wunderbar hemmungslosen und expressiven Perfomances auch viel damit zu tun, dass Andy Serkis Regie führte, der besser als jeder andere weiss, was die grosse Kunst dabei ist, mit Motion Capture Figuren Leben einzuhauchen – immerhin kennen ihn die meisten als Gollum oder als Caesar aus der neuen „Planet der Affen“-Trilogie. „Ich fand, dass Tom Hardy eine exzellente Performance hinlegte. Es war genau nach meinem Geschmack: einen Charakter mit Hilfe von CGI zum Leben erwecken“, erinnert sich Serkis, nachdem er den ersten Teil im Kino gesehen hatte. „Als mich Tom aus dem Nichts anrief und fragte, ob ich für die Fortsetzung als Regisseur an Bord komme, wollte er sicherstellen, dass jemand seine Darstellung mit Visual Effects übersetzt, der bereits selber grosse Erfahrung darin hat“, so Serkis. „Wir umkreisen einander als Schauspieler schon seit vielen Jahren und es war wundervoll, endlich mit ihm gemeinsam zu arbeiten.“

Das Ungetüm im Ohr

Ein Film wie der „Venom: Let There Be Carnage“ erfordert nun einmal eine ganz spezielle Arbeitsweise. Zum Beispiel nahm Hardy Venoms Stimme vor jeder Szene auf, so dass er als Eddie mit sich selbst interagieren konnte. „Toms künstlerischer Prozess beruht hauptsächlich auf dem Hören“, verrät Serkis über seinen Hauptdarsteller. „Nach dem Proben einer Szene verschwand Tom in einer Ecke, wo er mit einem Aufnahmegerät seinen Venom-Dialog aufnahm und mit einem Soundingenieur zurecht schnitt. Dann verpassten wir Tom ein verstecktes Hörgerät und spielten Venoms Stimme direkt in sein Ohr.“ So konnte er auf die anarchistische, dunkle Energie des Ausserirdischen angemessen menschlich reagieren.

Rein ins Gemetzel

Beide Figuren haben sich im zweiten Teil bis zu einem gewissen Grad an ihr unfreiwilliges Zusammenleben gewöhnt, auch wenn eine Krise die nächste jagt. Sie sind zu einem „odd couple“ geworden. Doch dann taucht Carnage auf der Bildfläche auf, und ihnen bleibt nichts anderes übrig, als sich dem neuen Monster zu stellen, dessen Superkräfte die von Venom womöglich noch übersteigen. Das daraus resultierende Chaos wird seinem Namen jedenfalls gerecht, steht „Carnage“ doch übersetzt für Blutbad, ein Gemetzel oder gleich ein Massaker. In diesem Sinne – lasst den Wahnsinn beginnen. Und wer dabei sein Gehirn anschaltet, ist selber schuld!